Wen die Goetter strafen
peinlich.
Rasch ging sie die Pennsylvania Avenue entlang, warf einen Blick auf ihre Uhr, als sie am Weißen Haus vorüberhastete.
Ich komme zu spät zur Konferenz
, dachte sie.
Der Firmensitz der Washington Tribune Enterprises befand sich an der Sixth Street NW und bestand aus insgesamt vier Gebäuden, die einen ganzen Straßenzug einnahmen – die Druckerei, die Zeitungsredaktion, ein Hochhaus für die Verwaltung und Geschäftsleitung und der Fernsehsender. Die Fernsehstudios des Washington Tribune Network waren im fünften Stock von Haus Nummer vier untergebracht. Hier, wo zahllose Menschen in ihren Kabuffs an den Computern arbeiteten, herrschte stets hektisches Treiben. Ständig gingen neueste Nachrichten von gut einem halben Dutzend Presseagenturen rund um den Globus ein. Dieser gewaltige Apparat erstaunte und faszinierte Dana stets aufs Neue.
Hier hatte Dana auch Jeff Connors kennen gelernt. Jeff, einst ein ausgezeichneter Pitcher in der höchsten Baseball-Liga, bis er sich bei einem Skiunfall den Arm gebrochen hatte, war Sportreporter bei WTN und schrieb zudem eine tägliche Kolumne für die Washington Tribune und alle ihr angeschlossenen Presseorgane. Er war Mitte Dreißig, groß und schlank, wirkte jungenhaft und hatte eine locker-lässige Art an sich, mit denen er die Menschen für sich einnahm. Jeff und Dana hatten sich ineinander verliebt und schmiedeten Heiratspläne.
In den drei Monaten seit Danas Rückkehr aus Sarajevo hatte sich in Washington allerhand getan. Leslie Stewart, der frühere Besitzer der Washington Tribune, hatte seine Anteile abgestoßen und sich zurückgezogen, und das Unternehmen war von Elliot Cromwell aufgekauft worden, einem international tätigen Medientycoon.
Die morgendliche Konferenz mit Matt Baker und Elliot Cromwell musste jeden Moment beginnen. Als Dana eintraf, wurde sie von Abbe Lasmann begrüßt, Matts reizvoller rothaariger Sekretärin.
»Die Herren erwarten Sie bereits«, sagte Abbe.
»Danke, Abbe.« Dana ging in das Eckzimmerbüro. »Matt... Elliot...«
»Sie sind spät dran«, knurrte Matt Baker.
Baker war ein kleiner, grauhaariger Mann von Anfang fünfzig, blitzgescheit und umtriebig, aber oft auch barsch und ungeduldig. Stets trug er zerknitterte Anzüge, die aussahen, als hätte er darin geschlafen, und Dana vermutete, dass dem auch so war. Er leitete WTN, die Fernsehabteilung der Washington Tribune Enterprises.
Elliot Cromwell war Mitte sechzig, ein freundlicher, aufgeschlossener Mann, der oft und gern lächelte. Er war Milliardär, aber es gab zig verschiedene Versionen darüber, wie er sein riesiges Vermögen angehäuft hatte, darunter auch einige weniger schmeichelhafte. In der Medienbranche, wo es doch in erster Linie um die Verbreitung von Informationen geht, war er allen ein Rätsel.
Er wandte sich Dana zu. »Matt sagt, dass wir die Konkurrenz wieder schlagen«, sagte er. »Ihre Quoten steigen weiter.«
»Das höre ich gern, Elliot.«
»Dana, ich verfolge jeden Abend Dutzende von Nachrichtensendungen, aber Ihre ist anders als alle übrigen. Ich weiß nicht genau, warum, aber sie gefällt mir.«
Dana hätte Elliot Cromwell den Grund erklären können. Andere Nachrichtensprecher trugen die neuesten Ereignisse einem gesichtslosen Millionenpublikum vor, ohne auf ihre Zuschauer in irgendeiner Weise einzugehen. Dana indessen hatte beschlossen, die Sache persönlich zu gestalten. An einem Abend stellte sie sich vor, dass sie mit einer einsamen Witwe sprach, am nächsten mit einem gebrechlichen, hilflos ans Bett gefesselten Menschen, am dritten mit einem Handelsvertreter, der irgendwo fern von seiner Familie allein vor dem Fernseher saß. Ihre Nachrichten klangen eindringlich und direkt, und die Zuschauer mochten sie und reagierten entsprechend darauf.
»Meines Wissens haben Sie heute Abend einen interessanten Gast zum Interview eingeladen«, sagte Matt Baker.
Dana nickte. »Gary Winthrop.«
Gary Winthrop war Amerikas Märchenprinz. Er entstammte einer der bekanntesten Familien des Landes, ein gut aussehender Mann in den besten Jahren mit viel Charisma.
»Er tritt nicht gern in der Öffentlichkeit auf«, sagte Cromwell. »Wie haben Sie ihn dazu bewegen können?«
»Wir haben ein gemeinsames Hobby«, erklärte ihm Dana.
Cromwell furchte die Stirn. »Wirklich?«
»Ja.« Dana lächelte. »Ich gucke mir gern einen Monet oder van Gogh an, und er kauft sie gern. Aber im Ernst – ich habe ihn schon mal interviewt, und wir haben uns angefreundet. Wir
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