Wen die Sehnsucht besiegt
riesengroßen Ringe zwangen sie, die Finger zu spreizen. »Natürlich in einer Schmuckkassette. Ah, vielleicht ist das sogar vorteilhaft. Es wird den Eindruck heraufbe-schwören, ich hätte noch mehr Juwelen… Was? Die Kassette wurde noch nicht angefertigt? Ihr seid entlassen! Und … Oh, er ist groß, obwohl er nichts ißt? Das verstehe ich nicht. Aber ich sollte ihn mal begutachten. Wie lautet dieses Wort doch gleich? Ach, ja - arm. Also, ich werde mir diesen - eh - armen Mann ansehen. « Hoheitsvoll erwartete die Erbin von Maidenhall die Ankunft James Montgomerys und knirschte mit den Zähnen, um das Geräusch rostiger Türangeln nachzuahmen. »Wie ich aus berufenem Munde hörte, knirschen verrostete Türangeln ganz erbärmlich«, informierte sie die Zuschauer nebenbei. »Deshalb verwenden wir keine in diesem Haus. «
Dann riß sie verblüfft die Augen auf und hielt einen Arm vors Gesicht, als müßte sie sich vor blendendem Licht schützen. »Oh, Ihr seid einfach zu schön! « flötete sie im Bühnenflüsterton.
Bei diesen Worten wurde Jamie feuerrot, und seine beiden Gefolgsmänner - der dummen Frauen müde, die seine außergewöhnliche Schönheit anhimmelten - schüttelten sich vor Lachen.
»Kein Juwel der Welt«, überschrie Joby den Jubel ihres Publikums, »ist Eurer Schönheit ebenbürtig. Oh, Ihr müßt mir gehören! « Mit ausdrucksvollen Gebärden streifte sie ihren Schmuck ab und warf ihm alle Kostbarkeiten zu. »Ihr müßt mich heiraten! Von einem Mann wie Euch habe ich schon immer geträumt. Neben Euch verblassen alle Smaragde, denn sie funkeln nicht so hell wie Eure Augen. Keine Perle schimmert so herrlich wie Eure Haut. Und nicht einmal Diamanten… « Sie verstummte, weil Jamie sein abgenutztes Sitzkissen nach ihr schleuderte, fing es auf und preßte es an ihre flache Brust. »Oh, ein Pfand meines schönen Geliebten! O Himmel, darauf hat er - gesessen ! Es durfte seinen zartesten Körperteil berühren. Könnten meine Augen und Lippen doch teilen, was dieses wunderbare Kissen genoß… «
Diesmal unterbrach sie sich, weil Jamie über den Tisch sprang und ihr den Mund zuhielt. Erst als sie mit ihren scharfen Zähnen in seinen kleinen Finger biß, ließ er sie los. »Wenn du nicht endlich still bist, bringe ich dich um. Wo hast du diesen Unsinn gelernt? Nein, erzähl’s mir lieber nicht! Aber wenn du schon keine Rücksicht auf meine Gefühle nimmst - denk wenigstens an deine liebe Schwester! « Sie spähte an ihm vorbei in Berengarias lächelndes schönes Gesicht. Beiden Schwestern gefiel es, den anderen weiszumachen, die ältere wäre so unschuldig, engelsgleich und ahnungslos, wie sie aussah. In Wirklichkeit vertrauten sie sich alles an und blieben oft die halbe Nacht wach, wenn Joby ihre neuesten Eskapaden schilderte.
»Hinaus! « befahl Jamie. Sein weit ausholender Arm schloß alle ein, die sich im Raum aufhielten. »Jetzt habt ihr euch lange genug über mich lustig gemacht. Sag doch, kleine Schwester - womit hast du den Haushalt während meiner Abwesenheit amüsiert? «
Niemals um Worte verlegen, erwiderte Joby: »Das war ein sehr ernster Haushalt. Da Vater und Edward… « Rasch preßte sie eine Hand auf den Mund.
Tiefes Schweigen erfüllte die alte, schäbige Halle. Für kurze Zeit hatten alle vergessen, daß sie erst vor zwei Tagen zwei Tote zu Grabe getragen hatten. Genaugenommen befand sich der Haushalt in Trauer, beklagte den Verlust des Vaters und des ältesten Sohnes. Aber Edward hatte die schlichten Freuden der Familie nie geteilt, der Vater war den anderen Schloßbewohnern stets ferngeblieben, in seinem Turmzimmer verbarrikadiert. Allen fiel es schwer, Menschen zu beweinen, die sie kaum gesehen hatten und, in Edwards Fall, auch nicht vermißten.
»Ja«, bestätigte Jamie. »Daran sollten wir uns erinnern. « Hoch erhobenen Hauptes ging er zum Tisch und führte Berengaria aus der Halle. »Warum hat mir’s niemand gesagt? « fragte er wenig später, während er am winzigen Fenster im Zimmer seiner Schwester stand, und löste einen lockeren Stein aus der Wand. Wasserschäden. Schon vor Jahren, während seiner Abwesenheit, waren die bleiernen Regentraufen verkauft worden, und nun sickerte das Was-ser ins Mauerwerk. Er drehte sich um und schaute Berengaria an. Heiter saß sie in ihrem Polstersessel, der besser in eine Bauernhütte gepaßt hätte als in diese einst glanzvolle, ruhmreiche Festung. »Warum hat mir’s niemand gesagt? « wiederholte er.
Zunächst wollte sie die
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