Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wen liebst du wirklich?

Wen liebst du wirklich?

Titel: Wen liebst du wirklich? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Wood
Vom Netzwerk:
diesem Haus gewohnt, und du hast keine Ahnung von mir, oder?"
    "Wir standen uns nicht sehr nahe", erwiderte sie gekränkt, erkannte jedoch überrascht, dass sie es sich immer gewünscht hatte.
    "Also gut, es war ein Missverständnis. Du wolltest nur nett sein. Aber ich habe … irrtümlich … gedacht, du würdest mich besser kennen und mich in Ruhe lassen. Mir ist wirklich nicht in den Sinn gekommen, du könntest mir ein Bett herrichten. Deshalb kannst du mir auch keinen Vorwurf machen, weil du wach geblieben bist."
    "Vermutlich nicht", räumte sie widerstrebend ein.
    Er seufzte erneut. "Mir ist klar, dass es für dich schwer zu begreifen ist, wie ich lebe. Aber bitte, fühle dich nicht verpflichtet, mich zu umsorgen. Ich habe auf dem blanken Erdboden und unter dem Sternenhimmel geschlafen und komme sehr gut allein zurecht. Ehrlich gesagt, mag ich es gar nicht, wenn man mich bemuttert. Es … engt mich ein. So ist es allein meine Sache, wenn ich keinen Nachtisch esse und dann vielleicht schneller wieder hungrig bin. Ich bin erwachsen … wenn ich will, kann ich bis frühmorgens fortbleiben, auf dem Sofa im Wohnzimmer oder sogar draußen unter freiem Himmel schlafen."
    Laura verstand, worauf er hinauswollte. Sie hatte ja gewusst, wie unanhängig er war. Aber sie war auch ein Sklave ihrer Gewohnheiten, und ein Gast im Haus bedeutete normalerweise, dass man sich um ihn kümmerte. Nur hatte sie vergessen, dass Cassian kein gewöhnlicher Mensch war. "Ich verstehe", sagte sie kleinlaut. Insgeheim wurde ihr bewusst, dass sie gern für ihn gesorgt hätte. Doch sie schwor sich, dass sie nicht versuchen würde, dem einsamen Wolf die Zwangsjacke der Häuslichkeit überzustreifen.
    "Ich weiß, dass ich schwierig bin, Laura", meinte er versöhnlich. "Aber ich habe dich gewarnt. Ich habe von meiner Mutter die Abscheu gegen alle Versuche geerbt, meinem Leben ein festes Ordnungsschema aufdrücken zu lassen."
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ja, ich weiß noch, wie sie George deswegen angeschrien hat. Ich werde es ganz bestimmt nicht wieder tun. In Zukunft kannst du hier tun und lassen, was dir gefällt. Aber … wenn du zufällig am Hinterzimmer vorbeikommst, wirst du sehen, dass ich dir dort ein Bett gemacht habe."
    "Danke, ich weiß deine Mühe zu schätzen." Cassian erwiderte ihr Lächeln nicht. Seine Züge blieben angespannt, und Laura spürte, dass er allein sein wollte.
    "Gute Nacht", wünschte sie ihm widerstrebend. Er brauchte niemanden. Schon gar nicht sie. Traurig verließ sie den Raum. Sie hörte, wie Cassian hinter ihr im Wohnzimmer tief einatmete, und zögerte mit klopfendem Herzen.
    "Verdammt!" stieß er gedämpft aus. "Gib mir Kraft!"
    Laura lauschte angestrengt.
    "Du Schwachkopf, es ist doch nur ein Schrank!" hörte sie Cassian flüstern.
    Der große, begehbare Schrank im Wohnzimmer! Cassian war dort unzählige Male eingesperrt worden. Damals war er noch unbeleuchtet gewesen, hatte einen kalten Steinboden und riesige Spinnen in den Ecken gehabt.
    Laura begriff. Cassian stellte sich selbst auf die Probe. Typisch für ihn. Ehe er auf Thrushton Hall bleiben konnte, musste er erst seine schlimmen Erlebnisse in dem Haus verarbeiten. Sie fühlte mit ihm. Andererseits … wenn es ihm gelang, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, würde sie bald ohne Zuhause dastehen. Vielleicht sollte sie besser hoffen, dass er die hässlichen Erinnerungen an George und Tante Enid zu stark fand, um sich in dem Haus wohl fühlen zu können.
    Doch während sie das noch dachte, wusste Laura, dass sie ihm helfen musste. Sie konnte ihn nicht leiden sehen, ohne ihm ihren Trost anzubieten, auch wenn sie dafür womöglich Hohn oder Zorn ernten würde.
     
    Auf Zehenspitzen schlich Laura ins Wohnzimmer zurück. Cassian stand vor dem großen Wandschrank, die Hände zu Fäusten geballt. Laura fühlte mit ihm. Dies war seine Hölle gewesen, und sie konnte ihn nicht einfach damit allein lassen.
    Leise kam sie an seine Seite, so dass ihre Arme sich berührten. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, dass er sich ihr zuneigte, aber vielleicht war es auch umgekehrt. Allein die Tatsache, dass er sie nicht anschrie, war ermutigend.
    "Mach das nicht", flüsterte sie.
    "Ich muss es tun."
    Zu ihrer eigenen Überraschung legte sie ihm verständnisvoll eine Hand auf den Rücken. Sie spürte, wie angespannt er war. Sein Blick war wie in die Ferne gerichtet, als würde er sich an jeden Vorfall, jede Demütigung, jede Ohrfeige und alle anderen Strafen

Weitere Kostenlose Bücher