Wen liebst du wirklich?
an. "Wenn du weinen musst, dann weine. Es ist nicht gut, es zu unterdrücken."
"Ich … muss mich doch beherrschen …"
"Warum?"
"Jeder Mensch muss sich beherrschen. Sonst würde die Welt doch in Chaos versinken, oder nicht?" sagte sie verzweifelt.
"Laura!"
Sein Blick war so zärtlich und besorgt, dass es ihr plötzlich ganz schwindelig wurde. Sie hatte das Gefühl zu schweben und schloss unwillkürlich die Augen. Sie atmete den Duft von Cassians After Shave ein, spürte seinen athletischen Körper, und ihr Herz schlug schneller. Cassians Kraft schien sie wie ein Mantel zu umhüllen. Es war ein wundervolles Gefühl. "Cassian", flüsterte sie.
Er drückte sie fester an sich, und sie schmiegte sich überglücklich in seine Arme. Verträumt öffnete sie die Augen und sehnte den Moment herbei, da Cassian sich zu ihr herabbeugen und sie küssen würde.
Er räusperte sich. "Möchtest du mein Taschentuch, oder geht es auch so?" fragte er schroff.
Wie auf ein Stichwort wichen sie auseinander. Cassians Miene war unergründlich. Laura konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen, obwohl sie sich bemühte, einen kümmerlichen Rest von Würde zu bewahren.
"Ist schon … in Ordnung", sagte sie stockend und wich seinem Blick aus. In Ordnung? Sie sehnte sich nach ihm wie ein Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug geraubt hatte! "Ich … ich bin eigentlich keine Heulsuse!"
"Ich weiß", meinte Cassian sanft. "Ich denke, du bist sogar ziemlich tapfer."
Sie blickte ihn unsicher an. "Tapfer?"
"Und stark und entschlossen. Es kann nicht leicht für dich gewesen sein, Adam allein großzuziehen. Ich wette, Enid hat es dir nicht leicht gemacht, solange sie noch lebte. Du hättest ihn ja auch zur Adoption freigeben können."
"Niemals!" wehrte sie entsetzt ab. "Er war mein Baby. Ich hätte mir eher das Herz aus dem Leibe gerissen, als ihn wegzugeben."
"Das dachte ich mir. Hör zu, Laura …" Er lächelte sie an.
Laura erwiderte sein Lächeln und bemerkte hoffnungsvoll, wie seine Augen aufleuchteten. Küss mich, dachte sie sehnsüchtig. Laut aber sagte sie: "Ich höre."
"Ich glaube an Kismet … das Schicksal", sagte er heiser.
"Ich auch", flüsterte sie. Das Schicksal hatte ihn schließlich zu ihr geführt.
Cassian presste die Lippen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Lauras Hoffnungen und Träume verblassten.
"Meine Ankunft hier erlöst dich."
Sie sah ihn enttäuscht und verständnislos an. "Wovon?"
"Von allem, das dich hier bisher festgehalten hat", erklärte Cassian schroff. "Die nächste Reise deines Lebens besteht darin, die Last dieses Hauses und dieses Ortes abzustreifen und mit deinem Sohn zu neuen Ufern aufzubrechen."
"Nein!" rief sie entsetzt aus.
Er sah ernst auf sie herab. Nicht mehr ein Freund, dem sie vertrauen konnte, sondern ein abweisender Fremder. "Du bist stark, und du bist tapfer, und deine Liebe zu Adam wird dafür sorgen, dass ihr beide überleben werdet. Ich weiß, dass du es kannst. Ich gebe dir eine Woche, es Adam beizubringen und dich selber an den Gedanken zu gewöhnen. Danach setze ich dich vor die Tür."
6. Kapitel
Laura wurde von Musik geweckt, die aus dem Erdgeschoss kam und sich hartnäckig in ihre Träume schlich. Wütend blickte sie auf den Wecker. Es war erst halb sieben.
Zum Teufel mit Cassian! Sie brauchte diese halbe Stunde Schlaf, denn sie hatte einen Großteil der Nacht wach gelegen und sich darüber geärgert, wie falsch sie Cassians Absichten interpretiert hatte. Während sie darauf gehofft hatte, er würde sie küssen, hatte er sich lediglich den Kopf darüber zerbrochen, wie er ihr beibringen sollte, dass er sie aus seinem Haus werfen wollte!
Und nun war sie hellwach. Ärgerlich verschwand sie im Bad. In Rekordzeit war sie geduscht und angezogen und ihr Bett gemacht. Auf dem Weg nach unten kam sie an Adams Zimmer vorbei. Sein Bett war ebenfalls schon gemacht, also hatte Cassian den Jungen auch geweckt! Entschlossen, einige Grundregeln für das Zusammenleben festzusetzen, eilte Laura die Treppe hinunter und wurde von dem köstlichen Duft von gebratenem Speck empfangen.
Im nächsten Moment sah sie zu ihrem Entsetzen Adam, der hochrot im Gesicht … sicher hatte er Fieber … sechs Speckstreifen inspizierte, die in der Pfanne brutzelten.
Laura stockte der Atem. Ihr Sohn war krank. Er kochte allein und ohne Aufsicht in der Küche …" Adam!" rief sie aus. "Was, in aller Welt …?"
"Hi, Mum. Soll ich dir auch Speck braten?"
Es verschlug ihr die Sprache.
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