Wende
aber könne er »zum Beschützer der Männer von Geist« werden und den freien Künsten helfen, »den herabgesunkenen Kopf« wieder zu heben. »Lasst mich, mein Heiliger Vater, nun darum bitten, nicht eure alten Freunde zu vergessen, zu deren Zahl zu gehören auch ich mich bekenne.« 16
So erfreulich sich die Herrschaft Nikolaus’ V. erwies, ganz so ruhig und idyllisch, wie sie sich der apostolische Sekretär erträumt hatte, ist sie dann wohl doch nicht gewesen. In diese Zeit fiel Poggios groteske Rauferei mit Georg von Trapezunt, mit Geschrei und Schlägen und allem, was sonst dazugehört. Auch muss ihn verärgert haben, dass der Papst, so als wolle er Ernst machen mit seiner Ausrufung zum Schutzpatron der Gebildeten, ausgerechnet Poggios bitteren Feind Lorenzo Valla zum zweiten apostolischen Sekretär berief. Sofort und in aller Öffentlichkeit begannen die beiden einen hasserfüllten Streit, in dem sie abfällige Kommentare über die Fehler im Latein des jeweils anderen mit noch boshafteren Bemerkungen zu Körperpflege, Geschlechtsleben und Familie des je anderen mischten.
Die Hässlichkeit dieser Streitereien muss den Traum vom Rückzug aus den Ämtern noch verstärkt haben, dem Poggio nachhing, seit er das Haus in Terranuova erworben und mit seiner Sammlung antiker Fragmente begonnen hatte. Und dies war nicht nur ein persönlicher Traum, zu diesem Zeitpunkt seines Lebens war er bereits berühmt genug als Bücherjäger, Gelehrter, Autor und päpstlicher Beamter, dass er auch die Aufmerksamkeit eines breiteren Publikums genoss. Sorgfältig hatte er
seine Freundschaften in Florenz gepflegt, hatte in eine bedeutende Familie eingeheiratet, sich mit den Interessen der Medici verbunden. Auch wenn er den größten Teil seines Lebens in Rom gelebt und gearbeitet hatte, schätzten sich die Florentiner glücklich, ihn als einen der Ihren reklamieren zu können. Die toskanische Regierung hatte denn auch einen Steuererlass zu seinen Gunsten veröffentlicht. Er habe, heißt es darin, die Absicht bekundet, sich schließlich in seinem Geburtsland zur Ruhe zu setzen und den Rest seiner Erdentage seinen Studien zu widmen. Insofern ihn seine literarische Betätigung nicht zu dem Reichtum führen werde, der denen zufalle, die im Handel tätig seien, verfügte die Steuerbehörde, dass er und seine Nachkommen fürderhin von der Zahlung aller öffentlichen Steuern befreit seien.
Im April 1453 starb Carlo Marsuppini, der Kanzler der Republik Florenz, ein ausgewiesener Humanist, der zur Zeit seines Todes dabei war, Homers Ilias ins Lateinische zu übersetzen. Das Amt stand damals nicht mehr im Zentrum der Staatsmacht, die Medici hatten ihre Position so weit ausgebaut, dass das Kanzleramt politisch an Bedeutung verloren hatte. Schon seit vielen Jahren galten rhetorische Fertigkeiten nicht mehr, wie damals zu Salutatis Zeiten, als entscheidend für die Geschicke der Republik. Das Muster aber war geblieben, noch immer wurde der Posten von einem ausgewiesenen Gelehrten besetzt; auch Poggios alter Freund, der hochbegabte Historiker Leonardo Bruni, hatte die Kanzlerschaft zwei Amtszeiten lang inne.
Die Honorierung war generös, das Prestige hoch. Florenz widmete seinen humanistischen Kanzlern alle Zeichen der Hochachtung und Ehre, welche die lebensfrohe, stolze Stadt auch sich selbst zuerkannte. Kanzler, die im Amt starben, erhielten pompöse Staatsbegräbnisse, deren Aufwand den bei anderen Bürgern der Republik weit übertraf. Als man dem dreiundsiebzigjährigen Poggio das vakant gewordene Amt antrug, willigte er ein. Über fünfzig Jahre hatte er am Hof eines absoluten Herrschers gearbeitet; nun würde er als nominelles Oberhaupt in eine Stadt zurückkehren, die sich viel auf ihre bürgerlichen Freiheiten zugute hielt.
Fünf Jahre lang versah Poggio das Amt des Kanzlers von Florenz. Es lief nicht alles reibungslos unter seiner Kanzlerschaft, die kleineren Pflichten seines Amtes hat er wohl vernachlässigt. Aber die symbolische Rolle
füllte er aus und nahm sich ansonsten Zeit für die literarischen Vorhaben, auf die er sich selbst verpflichtet hatte. Im ersten davon, dem zweibändigen Dialog De miseria humanae conditionis (Vom Elend des Menschendaseins) bewegt sich das Gespräch von einer fürchterlichen Katastrophe – der Eroberung Konstantinopels durch die Türken – zu einem allgemeinen Überblick über die Katastrophen, die praktisch alle Männer und Frauen befallen können, gleich welcher Klasse und welchen Standes und
Weitere Kostenlose Bücher