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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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kam, wurden Chris' vertraute, rundliche Konturen erkennbar. Sie winkte. Mit der neuen Frisur wirkte Chris im ersten Moment ein wenig fremd. Aber sie trug ihre gewohnte Holzfällerjacke, ihre schweren, braunen Wanderschuhe. Chris' stämmige Beine steckten wie immer in einer sandfarbenen Jeans, die aber offenbar an den Oberschenkeln ziemlich spannte. Über ein Vierteljahr hatten sie sich nicht gesehen. Entschieden zu lang, fand Susanne. Immer wieder hatte sie sich vorgenommen Chris in der Eifel zu besuchen, diesen Besuch jedoch wegen der vielen Arbeit ständig verschoben.
    Sie umarmten sich lachend und Chris sagte etwas atemlos: »Sony, hab mich ein bisschen mit der Zeit verschätzt. Ich war noch bei McDonald's.« Sie grinste. »Ich weiß, das ist total unökologisch, aber ab und zu krieg ich einen Riesenhunger auf die Fisch-Mäcs. Die Remoulade schmeckt so gut. Und ich liebe die Erdbeer-Shakes!«
    Susanne betrachtete ihre Freundin prüfend. Sie hatte den Eindruck, dass Chris merklich zugenommen hatte.
    Chris verzog das Gesicht. »Jetzt guckst du genau wie Jonas«, stöhnte sie. »Ich weiß, ich werde zum Nilpferd. Aber ich hab im Moment einfach dauernd Hunger. Außerdem ist Essen so beruhigend.«
    Susanne schluckte ihre Bemerkung über Chris' Figur herunter und sagte stattdessen: »Deine neue Frisur ist cool. Dieses Zöpfchen . . . »
    Durch die kurzen Haare wurde Chris' Gesicht stärker betont, das sehr schön war, auch mit Pausbacken und Doppelkinn.
    Chris strahlte. »Endlich mal jemand, dem sie gefällt!« Sie schaute sich neugierig um. »Wo ist denn deine Spinnerin?«
    »Tönsdorf gibt ihr ein paar Schnäpse aus, passt aber auf, dass sie sich nicht völlig zuschüttet. Nüchtern ist sie überhaupt nicht zu gebrauchen.« Susanne erschrak etwas darüber, wie zynisch ihre Worte klangen. Sie empfand Mitleid mit Karla, aber wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie Alkoholiker verabscheute. Zumindest verabscheute sie das, was der Alkohol aus den Menschen machte.
    Chris legte den Arm um sie. »He«, sagte sie sanft. »Wenn diese Karla säuft, ist das ihr Problem. Sie ist selbst für ihr Leben verantwortlich.«
    Susanne seufzte. »Ja. Natürlich. Da hast du Recht.« »Und du meinst also, sie hat das zweite Gesicht - so wie ich?«
    Susanne zuckte die Achseln. »Ihr Gerede klingt ziemlich wirr, aber ein wenig hört es sich an wie das, was du manchmal erzählst.« Als ihr bewusst wurde, dass sie ihrer Freundin damit unterstellte, mitunter wirr daherzureden, fügte sie rasch hinzu: »Natürlich bewegt sich das bei dir ... auf einem höheren Niveau. Seit du mir damals geholfen hast, weiß ich, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die eine eingefleischte Rationalistin wie ich wohl niemals begreifen wird. Immerhin sind wir zusammen in die Geisterwelt gereist, wie du das nennst, und haben mein Krafttier gefunden - und nachher ging es mir besser.«
    Susanne war damals beinahe erschossen worden. Sie hatte unglaubliches Glück gehabt. Die beiden Kugeln hatten keine inneren Organe verletzt und die körperlichen Wunden verheilten rasch. Doch noch Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus hatte sie sich seelisch wie tot gefühlt. Ihr früherer Kollege Jonas, mit dem sie durch die Ermittlungen im Genotec-Fall wieder in Kontakt stand, hatte sie und Chris damals zusammengebracht. »Versuch's doch wenigstens mal«, hatte er zu Susanne gesagt. »Vielleicht kann Chris dir helfen - mit ihrer Zauberei.« Voller Zweifel und Unbehagen war Susanne in die Eifel gefahren. Chris hatte für sie eine Heilungszeremonie durchgeführt - und seitdem waren sie Freundinnen.
    »Wie geht's denn deinem Marder?«, fragte Chris.
    »Hab mich lange nicht mehr nach ihm erkundigt.« Susanne lächelte unsicher. »Gut, glaube ich«, sagte sie. »Im Moment hilft er mir dabei, vom Nikotin loszukommen.« Außer mit Chris sprach Susanne mit niemandem über den Marder. Sie wäre sich furchtbar lächerlich vorgekommen. Aber über ihrem Bett hing das große Foto eines Steinmarders, das sie aus einem Tierkalender ausgeschnitten hatte. Der Steinmarder war das Krafttier, das Chris damals für sie gefunden hatte. Und so verrückt es klang, seit der Zeremonie träumte Susanne häufig von einem Marder, mit dem sie im Wald von Baum zu Baum kletterte. Beim Aufwachen fühlte sie sich dann jedesmal erfrischt. Und jetzt, wenn das Verlangen nach einer Zigarette allzu groß wurde, bat sie den Marder leise ihr zu helfen, ihr Kraft zu geben. Und das wirkte

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