Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
sechzig sein. Dem Kloster schien es eindeutig an Nachwuchs zu mangeln.
Schwester Elisabeth stand auf, reichte ihnen die Hand und bot einen Platz an. »Dass wir Männer hier hereinlassen, von kirchlichen Amtsträgern abgesehen, ist eigentlich nicht üblich«, sagte sie. »Aber in diesem besonderen Fall schien mir eine Ausnahme angebracht. Und Frauen Ihres Alters haben wir selten in unseren Mauern zu Gast, Frau Kommissarin. Ich gebe zu, wir könnten Nachwachs gebrauchen. Andererseits wird unsere hiesige Kongregation beim Abriss des Klosters ohnehin aufgelöst.«
»Was geschieht dann mit den Schwestern, die hier leben?«, fragte Susanne.
»Wir werden anderen Häusern unseres Ordens im Kölner Raum zugeteilt. Dort herrscht überall Personalmangel.«
Meilchen richtete sich im Stuhl auf und räusperte sich. »Schwester, ich will nicht lange drum herum reden. Ich habe Ihnen etwas Unerfreuliches mitzuteilen. Wir haben Schwester Hildegardis gefunden. Sie lebt nicht mehr.«
Schwester Elisabeth atmete schwer und setzte sich rasch wieder hinter den Schreibtisch. Sie war eine große, knochige Frau, deren Gesicht früher einmal hübsch gewesen sein musste. Susanne fragte sich, was einen Menschen dazu bewegen konnte, sein Leben in solcher Abgeschiedenheit zu verbringen.
Nach einer kurzen, schweren Stille sagte Schwester Elisabeth: »Ich hatte damit gerechnet. Die Umstände sind so, dass damit zu rechnen war.«
»Ich muss Sie bitten, heute Nachmittag ins Krankenhaus zu kommen, um die Tote zu identifizieren«, sagte Meilchen.
»Natürlich. Ich habe lange in der Krankenseelsorge gearbeitet. Der Tod ist ein vertrauter Anblick für mich. Auch wenn meine persönliche Betroffenheit natürlich groß ist. Hildegardis und ich haben fast zwanzig Jahre hier gemeinsam gelebt.«
Meilchen rieb sich das Kinn mit Daumen und Zeigefinger. »Halten Sie es für denkbar, dass Schwester Hildegardis ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hat?«
Schwester Elisabeth richtete sich starr hinter dem Schreibtisch auf. Sie presste ihre gefalteten knochigen Hände so fest zusammen, dass die Knöchel weiß wurden. »Sie wissen, dass dies eine schwere Sünde wäre. Schwester Hildegardis hat stets ein sehr heiligmäßiges Leben geführt. Sie war geborgen in Gott. Wie hätte sie da etwas Derartiges tun können?«
»Es tut mir Leid«, sagte Meilchen beharrlich. »In ihrem Blut wurde eine tödliche Dosis Barbiturat gefunden.«
Schwester Elisabeth schüttelte energisch den Kopf. »Ein Selbstmord ist völlig ausgeschlossen.«
Susanne schaute der Ordensfrau ins Gesicht und versuchte in ihrem Blick zu lesen. »Gestern haben Sie gegenüber Herrn Meilchen erwähnt, es habe eine freundschaftliche Beziehung zwischen Ihrer Oberin und dem ermordeten Propst des Doms bestanden. Demnach vermuten Sie, dass es einen Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen gibt?«
Schwester Elisabeths Gesicht war eine ausdruckslose Maske. »Zumindest gibt mir die zeitliche Nähe der beiden Todesfälle zu denken. Auf diesen Umstand wollte ich Sie hinweisen. Alles Weitere müssen Sie herausfinden. Das ist nun wirklich Aufgabe der Polizei.«
»Aber wir sind dabei auf Ihre Mithilfe angewiesen«, sagte Susanne. »Immerhin waren Sie eine enge Vertraute der Verstorbenen. Standen Sie denn auch mit dem Dompropst in Kontakt?«
Schwester Elisabeth verzog das Gesicht. »Ich habe ihn nur bei einigen wenigen offiziellen Anlässen gesehen. Aber es gibt eine ... gewisse historische Tradition, die unser Kloster und den Dom verbindet, was die Zusammenarbeit von Schwester Hildegardis und Weihbischof Oster erklärt.«
Meilchen ließ sich, wie Susanne fand, allzu deutlich anmerken, wie sehr ihm diese ganze Klosteratmosphäre zuwider war. Er seufzte. »Ich will Ihnen jetzt mal meine Theorie darlegen, Schwester.« In seiner Stimme schwang Verachtung mit. Das hatte Susanne schon vorhin herausgehört, als er draußen vor dem Tor von »Betschwestern« gesprochen hatte. Sein Bedauern wegen des bevorstehenden Abrisses des Klosters bezog sich offenbar nur auf die historisch wertvollen Mauern, nicht auf die Frauen, die hinter ihnen lebten. »Schwester Hildegardis ist vor ihrem Tod geschlagen worden. Entweder beging sie danach Selbstmord oder sie wurde gezwungen die tödlichen Tabletten einzunehmen. Ist es nicht denkbar, dass zwischen dem Propst und der Oberin eine, sagen wir mal, etwas unheilige Beziehung bestand? Und dass jemand sie deswegen erpressen wollte? Jemand, der von dieser Beziehung wusste?«
Wenn
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