Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
nächsten Morgen frisch und ausgeruht.
Vier
T önsdorf steuerte den Dienst-Opel, während Susanne im Beifahrersitz zurückgelehnt versuchte sich zu entspannen. Die Landschaft hier draußen zwischen Bergheim und Jülich war weit und eben. Eine bunte Mischung aus Äckern, Weiden und Gewerbegebieten prägte das Bild, wobei sich, wie fast überall, die Landwirtschaft auf dem Rückzug, die Gewerbegebiete auf dem Vormarsch befanden. Immerhin ragten zwischendrin noch recht viele alte Bäume in den Himmel. Darüber würde Chris sich bestimmt freuen, dachte Susanne.
Sie beugte sich vor und betrachtete die auf ihren Knien ausgebreitete Straßenkarte. Der Kollege von der Bergheimer Kripo, ein Hauptkommissar Meilchen, hatte heute früh angerufen und berichtet, die Oberin des Klosters in Bischofsweiler, Schwester Hildegardis, sei tot aufgefunden worden, mit einer Überdosis Barbiturat im Körper. Man habe Mordermittlungen eingeleitet, da die Schwester offenbar geschlagen worden sei. Noch könne ein Suizid allerdings nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Stellvertreterin der Oberin, Schwester Elisabeth, habe ausgesagt, es habe eine freundschaftliche Beziehung zwischen Dompropst Oster und Schwester Hildegardis bestanden. Deswegen wollte Meilchen die Kölner Kollegen hinzuziehen. Susanne hatte mit ihm verabredet, dass sie sich um halb elf am Kloster treffen würden.
Der kleine Ort Bischofsweiler mit dem Kloster Bethlehem lag ein paar Kilometer westlich von Eisdorf und befand sich innerhalb eines auf der Karte rot eingegrenzten Gebietes. Die Zacken dieser roten Umrandung sahen aus wie kleine Zähne. »Genehmigter Braunkohleabbau« las Susanne in der Legende. »Da vorn links«, sagte sie. Tönsdorf steuerte den Wagen von der Bundesstraße Richtung Eisdorf auf eine schnurgerade zwischen zwei kahlen Äckern verlaufende Nebenstraße. Ein Schwärm Krähen flog von dem flachen, braunen Land auf, über dem der Himmel tief und dunstig lag. Gewiss wurde dieser Dunst auch von den riesigen Kohlekraftwerken in Niederaußern und Frimmersdorf gespeist, zu denen die Kohle aus dem Tagebau Hambach auf einem kilometerlangen Förderband transportiert wurde.
Hinter dem Ortsschild von Bischofsweiler fuhren sie durch ein großes Neubaugebiet. Das überraschte Susanne. Irgendwie hatte sie erwartet, in dieser zum Wegbaggern freigegebenen Gegend nur alte, baufällige Gebäude vorzufinden. Doch von diesen Häusern schien keines älter als zwanzig Jahre zu sein.
»Halt mal kurz an«, sagte sie zu Tönsdorf. »Wir haben sowieso noch zehn Minuten Zeit. Ich möchte mir das etwas näher ansehen. »
Tönsdorf parkte den Wagen an einer in das Neubaugebiet hineinführenden Straße und sie stiegen aus. Langsam ging Susanne zwischen den leer stehenden Häusern hindurch und schaute sich verwundert um. Es handelte sich um bestens erhaltene, zum Teil recht große Einfamilienhäuser. Es waren keine armen Leute, die hier gewohnt hatten. Viele Häuser hatten Doppelgaragen und teure, schwere Vordertüren. An den Häusern, an denen die Rollläden nicht herabgelassen waren, gähnten blinde Fensterlöcher mit eingeschlagenen Scheiben. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, lediglich von Ferne drang Baggerlärm herüber. Besonders merkwürdig fand Susanne, dass an manchen Häusern die Vordertüren notdürftig zugemauert waren. »Vielleicht ein letzter, stummer Protest gegen die Kölnische Braunkohle AG«, sagte sie. »Sind die Leute eigentlich angemessen entschädigt worden?«
Tönsdorf zuckte die Achseln. »Soweit ich gehört habe, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das zu nehmen, was die Braunkohle AG ihnen anbietet. Wenn sie sich weigern, wer den sie zwangsenteignet.«
»Wie viele Leute hier wohl gewohnt haben?«
Tönsdorf ließ den Blick schweifen. »Hier in dem Neubaugebiet bestimmt ein paar Hundert. Sieh mal, wie weit es sich nach dort drüben erstreckt.« Was für eine gigantische Fehlplanung! Entlang der Erschließungsstraße hinter derjenigen, über die Susanne und Tönsdorf gingen, waren noch gar nicht alle Grundstücke bebaut, und nun wurde das alles wieder abgerissen. Die Bewohner hier schienen ganz den Traum vom Häuschen im Grünen gelebt zu haben. Es gab liebevoll angelegte Gärten mit Grill und kleinem Pool. An einem der Häuser war eine große Fensterscheibe eingeschlagen. Jugendliche hatten die Wände des geräumigen Wohnzimmers dahinter mit Sprühfarbe verunstaltet.
Tönsdorf zeigte auf die Haustür. »Hier«, sagte er, »die
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