Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
schlechter, wie meine Mutter immer sagt.
So gesehen ist jedes Streben nach Veränderung mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden. Deshalb verzichte ich lieber von vornherein auf Experimente aller Art und beschränke mich auf gepflegte Selbstironie.
Die bringt immer Lacher, im Gegensatz zu Gejammer, mit dem man seinen Zuhörern nach einer gewissen Zeit gehörig auf den Zeiger geht. Selbstironie zeugt hingegen von erfrischendem Pragmatismus gegenüber den Widrigkeiten des Alltagslebens.
Wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich diese Turbulenzen allein dadurch überstehen werde, dass ich humorvoll auf Distanz zum eigenen Selbstmitleid gehe und ein paar Jahre lang tief durchatme.
3
S andy, ich möchte, dass du mich morgen in Berlin auf der Fernsehmesse vertrittst. Du hast so viel Arbeit mit dem Projekt gehabt, da sollst du auch selbst die Früchte ernten dürfen.«
Der Meidner hat sich das gütige Lächeln eines Vaters ins Gesicht geklemmt, der seiner kleinen Tochter eine unverhoffte Freude macht.
Die Ratte.
Bei der Übergabe von Messeständen an Neukunden gibt es in der Regel keine Früchte zu ernten, sondern jede Menge Ärger. Messebau ist ein hektisches Geschäft, da geht immer irgendwas schief. Unter irrwitzigem Zeitdruck müssen dann Lösungen und Erklärungen für genervte Kunden gefunden werden.
In diesem Fall auf Französisch. Nicht gerade Meidners Stärke, wie ich zuverlässig weiß, seit er nach einem Geschäftsessen im ›Les Halles‹ dem Kellner lässig »il conto, per favore« zurief.
»Super, Joe, da freu ich mich!«, lüge ich, während ich krampfhaft überlege, wie ich vor der Abreise noch alles schaffen kann, was ich schaffen muss. Martinas schlauer Meditationskalender empfiehlt für diesen Fall: »Wenn du es eilig hast, gehe langsam.« Hübsch formuliert, aber wie das funktionieren soll, ist mir völlig schleierhaft.
Mir ist schwummerig zumute. Kein Wunder, meine To-do-Liste ist jetzt schon so lang, dass mein gesamter Jahresurlaub nicht ausreichen würde, um sie abzuarbeiten. Dabei verzichte ich schon seit Längerem auf meine Mittagspause. Ein Sandwich am Schreibtisch verkrümelt zwar die Akten, ist aber, rein kalorientechnisch betrachtet, genauso nahrhaft wie der Mittagsteller beim Griechen.
Krankfeiern kommt überhaupt nicht mehr infrage. Im Augenblick probiere ich sogar aus, ob es möglich ist, eine waschechte Wintergrippe im Büro auszukurieren. Vorläufiges Endergebnis: eigentlich kein Problem, sofern man eine Großpackung Taschentücher und einen Kanister Hustensaft in der Nähe hat. Und einen Chef, dem die Leistungsbereitschaft jedes Einzelnen bedeutend wichtiger ist als die Ansteckungsgefahr für alle.
»Wenn Sie so weitermachen, liegen Sie irgendwann richtig auf der Nase«, ermahnt Frau Springer mich und stellt mir fürsorglich eine heiße Zitrone hin. »Unser Mittagessen ist nicht so wichtig – das sollten wir in Ruhe nachholen, wenn Sie aus Berlin zurück sind.«
Mit schlechtem Gewissen stimme ich zu. Wohl wissend, dass »in Ruhe« auch nach Berlin ein schöner Traum bleiben wird. Denn dann muss ich mich nicht nur um die ganzen Sommermessen kümmern, sondern auch um Herrn Dr. Schnurer. Der sprüht nur so vor schwachsinnigen Ideen für die Geburtstagsveranstaltung und brennt darauf, sie alle mit mir zu diskutieren.
Wie gut, dass ich jetzt den nächsten Termin mit ihm absagen kann. Eine Dienstreise ist da ja ein unschlagbares Argument. Leider wird aber auch der Mädelsabend heute ohne mich stattfinden müssen.
Als ich Neele anrufe, will sie mir prompt eine Predigt über die unselige Opferbereitschaft weiblicher Angestellter halten, die ich jedoch mit einem knappen »Du hast gut reden, du Beamtin« entschlossen abwürge. Dieser Tag ist auch ohne Vorwürfe aus dem Freundinnenkreis schwer genug zu ertragen.
Er hatte schließlich schon damit angefangen, dass ich mich im Büro mal wieder vor lauter Hektik nicht mehr daran erinnern konnte, ob ich den Herd auch wirklich ausgemacht hatte. In solchen Fällen muss ich erst panikerfüllt Frau Leitner aus dem ersten Stock um umgehende Kontrolle der Schalter bitten, bevor ich die in mir tobenden Feuersbrunstfantasien bändigen und mich auf meine Arbeit konzentrieren kann.
Morgen diese blöde Berlinreise und heute ackern bis mindestens neun, anstatt mit den Mädels entspannt Ein unmoralisches Angebot anzugucken – da bewahrt mich eigentlich nur die Aussicht auf einen ruhigen Restabend zu Hause vor dem sofortigen
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