Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
Nervenzusammenbruch. Mit etwas Glück muss Thomas sogar noch länger arbeiten als ich, und ich kann mir in meinem roten Schaukelstuhl ganz entspannt ein Gläschen Wein genehmigen.
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»Das macht doch nichts!«, versucht Thomas mich zu trösten. Aber ich bin untröstlich. Und das, obwohl nicht etwa er unseren Hochzeitstag vergessen hat, sondern ich.
Meine Augen wandern von dem festlich gedeckten Esstisch mit dem großen Rosenstrauß zu seinem Gesicht. In seinem Blick ist nicht der Hauch eines Vorwurfs zu entdecken. »Heute ist doch Dienstag. Der gilt für die meisten Menschen inzwischen als schlimmerer Tag als der Montag. Da passt du voll in die Statistik, Engel.«
Über eine bestätigte Statistik freut sich Thomas wahrscheinlich mehr als über jedes Hochzeitstaggeschenk. Erleichtert stoße ich mit ihm an.
Er sieht gut aus für Anfang 50. Ein paar Falten mehr um die Augen und ein paar Haare weniger auf dem Kopf als damals bei unserem ersten Date, aber noch dieselbe gute Figur.
Ob die Frauen bei ihm im Büro ihn wohl angraben?, schießt es mir durch den Kopf. Schließlich hatte auch ich einst keck versucht, den Mann hinter dem dunklen Zweireiher hervorzulocken. Und ich darf von mir behaupten, dass ich durchaus erfolgreich war.
Oder? Ich war jedenfalls sehr lange überzeugt davon, dass das schon noch wird. So lange, bis ich irgendwann einsehen musste: Das wird wohl nichts mehr …
Warum hast du ihn dann überhaupt geheiratet?, keift mein innerer Staatsanwalt plötzlich dazwischen.
Hau ab, du störst! Ich feiere gerade Hochzeitstag!, keife ich zurück. Und kann doch nicht verhindern, dass mir Thomas’ Heiratsantrag in den Sinn kommt.
Er machte ihn mir hoch über München im Riesenrad. Bei einem Piccolo Champagner, den er mit in die Gondel geschmuggelt hatte. Dabei hasst Thomas Volksfeste; er hatte das alles nur mir zuliebe veranstaltet.
Natürlich nahm ich seinen Antrag gerührt an. Gerührt und auch ein klitzekleines bisschen pragmatisch, wie ich mir leicht verschämt eingestehe. Immerhin war ich bereits drei Jahre zuvor bei ihm eingezogen, da tut man sich relativ schwer, auf solche Schicksalsfragen ebenso diplomatisch wie triftig begründet mit »nein, danke, du, später vielleicht, oder so« zu antworten.
Und genau genommen gab es ja auch nichts, was dagegen gesprochen hätte, Thomas zu heiraten. Nichts außer dem vagen Gefühl, möglicherweise nicht die richtige Entscheidung zu treffen.
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Auf der Zugfahrt nach Berlin gebe ich mich noch der Illusion hin, dass mich am Messestand der Moulin Rouge TV Produktion ein glücklicher Geschäftsführer erwartet, der sich überschwänglich für den gelungenen Messestand bedankt und bei einem Glas Champagner spontan einen Zehnjahresvertrag mit der Meidner Fair & Event Design GmbH unterzeichnen will.
Das würde natürlich voraussetzen, dass der Stand tatsächlich fantastisch gelungen ist. Doch das scheint nicht der Fall zu sein. Champagner sehe ich jedenfalls nirgends, dafür einen kleinen, dunkelhaarigen Mann, der in gebrochenem Englisch gerade ein paar ratlos blickende Leute unserer Standbaucrew anbrüllt. Er wirkt wie eine Mischung aus Nicolas Sarkozy und Rumpelstilzchen. Genau die Art Kunde, die so richtig Freude macht.
Todesmutig stelle ich mich ihm vor und frage in meinem schönsten Französisch, was das Problem ist. Ein Stand ohne Standbeleuchtung ist bedauerlicherweise ein großes Problem.
Ich schaue ungläubig in meine Unterlagen: Auf meiner Packliste fürs Lager sind die Kisten mit der Lichttechnik noch aufgeführt. Auf der Liste des Transportunternehmens nicht mehr.
Des Rätsels Lösung dürfte unser Praktikant sein. Ich wusste schon vorher, dass er eher der allseitig ahnungslose Typ ist. Aber dass er schon überfordert ist, wenn eine Excel-Tabelle mehr als eine Seite hat, ist mir neu. Leider wurde er uns von Ferdi Hinterhuber aufs Auge gedrückt, sodass ich ihn jetzt schlecht anrufen kann, um ihm in klaren Worten zu sagen, was ich gerade über ihn denke.
Dafür rufe ich den Meidner an. Geteiltes Leid ist halbes Leid; außerdem sehe ich schon seit Längerem nicht mehr ein, warum ich eigentlich im Alleingang sämtliche Probleme seiner Firma lösen sollte. Missmutig verspricht er, sich was einfallen zu lassen, und beendet grußlos das Gespräch.
Die Stunden vergehen, ohne dass er noch mal von sich hören lässt. Doch als ich mich gerade mit dem Gedanken abfinde, von Rumpelstilzchen am frühen Abend öffentlich guillotiniert zu werden, lädt ein
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