Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
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»Der Meidner will, dass Sie gleich in sein Büro kommen«, sagt Frau Springer und guckt ein bisschen mitleidig. Der erste Arbeitstag im neuen Jahr, und dann gleich vortanzen beim Chef. Das kann nur Arbeit bedeuten.
Oder Ärger.
Oder beides.
Ich hole tief Luft und rufe mir aus Martinas Kalender den meditativen Sinnspruch für heute ins Gedächtnis. »Leiden ist leichter als Handeln.« Irgendwie passend fürs Angestelltendasein, wenngleich von begrenztem praktischem Wert.
»Sandy-Babe, ich hoffe, du hast dich über die Feiertage gut erholt«, sagt der Meidner, während er an seinem BlackBerry herumfummelt. »Du musst gleich durchstarten. Eine französische Firma will einen großen Stand auf der Berliner Fernsehmesse Ende Januar. Ich hab denen versprochen, dass sie bis Freitag ein Konzept kriegen. Du bist mein bestes Pferd im Stall. Das kriegst du doch hin, oder?«
Klar, natürlich, wenn ich eine Familienpackung Red Bull trinke, auf jegliche Nahrungsaufnahme verzichte und die nächsten 78 Stunden durcharbeite, denke ich wutentbrannt. Ich hasse Joachim »Joe« Meidner. Dummerweise ist er seit sechs Jahren mein Arbeitgeber. Und da darf man ja heutzutage nicht wählerisch sein.
Das Erfolgskonzept der Meidner Fair & Event Design GmbH ist simpel. Ihr Geschäftsführer verspricht seinen Kunden alles, kurzfristig oder auch gern sofort. Dann kritzelt er » DRINGEND !« auf die Aufträge für Messestände und Großveranstaltungen und lädt sie bei mir auf dem Schreibtisch ab. Im Gegenzug gibt es für mich ein unterdurchschnittliches Gehalt, den wohlklingenden Titel »Head of Customer Relations« und ein vages Versprechen auf Beförderung.
Das steht jetzt schon verdächtig lange im Raum. Aber man soll die Hoffnung ja nie aufgeben. Sondern sich lieber in ergebnisorientiertem Schleimen üben: »Du kannst dich auf mich verlassen, Joe. Hier, ich hab dir übrigens ein Geschenk mitgebracht. Extra über die Feiertage für dich gebacken.«
Ich überreiche ihm eine Zellophantüte Kekse. Er schaut sie skeptisch an. »Sind da auch wirklich keine Nüsse drin?«
Ich schüttele entrüstet den Kopf, während ich mir überlege, dass er allein für sein »Sandy-Babe« einen hübschen kleinen allergischen Anfall durchaus verdient hätte.
Offenbar wirke ich glaubwürdig, denn er reißt die Tüte auf, stopft sich den ersten Keks in den Mund und brüllt: »Frau Springer, wo bleibt der verdammte Kaffee?!!!« Dann beginnt er, die Zeitung durchzublättern. Meine Audienz ist beendet.
Ich sollte mich jetzt den Herausforderungen des Arbeitstages stellen. Doch dazu fehlt mir noch der Mut. Also beschließe ich, einen Umweg über die Kaffeeküche zu machen und einen Plausch mit Frau Springer zu halten. Sie ist seit zehn Jahren Meidners Sekretärin. Ein Posten, der meiner Ansicht nach nervenaufreibender ist als der des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Der Meidner ist nämlich zu gleichen Teilen chaotisch und cholerisch veranlagt. Obendrein ist er eitel und kann schon rein inhaltlich nicht akzeptieren, dass er deutlich kleiner ist als die Springer und ich.
» SPRIN-GER !! Wird das heute noch was mit dem Kaffee, oder muss ich Ihnen erst die Hammelbeine lang ziehen!?«
Frau Springer zuckt noch nicht mal zusammen. Ohne Eile macht sie ein Kaffeetablett zurecht. »Wie halten Sie das nur schon so lange aus?«, frage ich bewundernd.
»Ach wissen Sie, das ist doch alles Pillepalle, was dieser hysterische Heinzelmann hier veranstaltet. Es gibt ’ne Menge schlimmere Dinge im Leben.«
Da hat sie recht. Ich nehme mir vor, mit ihr demnächst zum Mittagessen zu gehen und sie zu fragen, wie sie es zu dieser beeindruckenden Lebensweisheit gebracht hat. Die kann unmöglich allein auf ihr fortgeschrittenes Alter zurückzuführen sein.
Beschämt über meine unangemessene Aggression trotte ich in mein Büro und schalte den Rechner ein. So gelassen wie die Springer wäre ich auch gerne. Wenn der Meidner mich anbrüllt, breche ich in Tränen aus und verschanze mich die nächsten zwei Stunden auf der Damentoilette. Nicht gerade das Verhalten, das man von einer zukünftigen Führungskraft erwartet. Kein Wunder, dass Joe sich noch immer nicht zu meiner Beförderung durchgerungen hat.
Mein Telefon klingelt. »Meidner Fair & Event Design. Mein Name ist Heller – was kann ich für Sie tun?«
»Heller? Heller wie dunkler?«, schallt es aus dem Hörer zurück. Haha, sehr witzig. Leider habe ich schon in der zweiten Klasse aufgehört, darüber zu lachen.
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