Wenn alle Schranken fallen
tatsächlich so naiv? “Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Hätte ich die Antworten auf Ihre Fragen, könnte ich ein Buch schreiben und reich werden.”
“Ihre Mutter sagt, ich würde es nie herausfinden. Sie … sie glaubt, es steckt in den Menschen selbst, ob sie treu sind oder nicht.”
“Ja, das klingt nach Ma. Eine schlichte und einfache Antwort auf eine komplizierte Frage.”
“Wie sind Sie nur damit fertig geworden, dass Ihre Frau Ihnen wieder und wieder untreu war? Haben sie je damit aufgehört, sie sich mit diesen Männern vorzustellen?” Sie durfte jetzt nicht weinen. Seit Tylers Tod war keine einzige Träne gefallen, und Lydia wollte nicht ausgerechnet vor Gordon zusammenbrechen, dessen Einstellung zu seiner verstorbenen Frau und zur Ehe im Allgemeinen so herzlos und gefühllos schien.
“Zuerst wollte ich sie umbringen.” Gordon wich ihrem Blick aus, denn er konnte die Qual auf ihrem Gesicht und die Traurigkeit in ihren Augen nicht ertragen. “Nach einer Weile empfand ich überhaupt nichts mehr. Ich stumpfte ab. Es war mir einfach egal, was sie machte oder mit wem.”
“O Gordon.”
“Es hat wesentlich länger gedauert, bis ich die höhnischen, abfälligen Bemerkungen ertragen konnte, die andere Männer über meine Frau machten. Deswegen bin ich in mehr als eine Schlägerei geraten und sogar ein paarmal im Gefängnis gelandet.”
“War Macie so etwas Besonderes? Was machte sie für Männer so unwiderstehlich?”
Erstaunt sah Gordon sie an. Wie konnte eine wohlhabende, gebildete Frau wie Lydia so dumm sein, wenn es um das Thema Mann und Frau ging? “Ja, es gab etwas, das machte sie unwiderstehlich für jeden Mann: Sie war zu haben.”
Verwirrt sah Lydia ihn an. “Das ist alles?”
“Wollen Sie hören, dass Macie hinter Ihrem Mann her war? Okay. Vermutlich hat sie sich angeboten. Ein Kerl wie Tyler Reid war sicher eine Herausforderung. Ein reicher Knabe, auf dem Weg an die Spitze. Außerdem hatte er mehr Klasse, als sie es von ihren übrigen Liebhabern gewohnt war.”
Lydia wollte nichts mehr hören. Sie wusste, was als nächstes kommen würde. “Sie war nicht die Erste.”
“Natürlich war sie nicht die Erste, und sie wäre auch nicht die Letzte geblieben.”
Als könne sie so die hässliche Wahrheit aussperren, hielt Lydia sich die Ohren zu. “Warum war ich ihm nicht genug? Warum nur?”
In einer schnellen Bewegung zog Gordon sie in die Arme und drückte sanft ihren Kopf an seine Brust. Seine Hände glitten über ihren Rücken, streichelten sie tröstend. Mehr als alles andere wünschte er, er könnte ihre Frage beantworten. Doch es war unmöglich, denn er wusste wirklich nicht, was Tyler Reid zu seiner Untreue veranlasst hatte. Offenbar kamen Ruths Lebensweisheiten der Wahrheit ziemlich nahe.
Er hob Lydias Kopf an und sah ihr in die Augen. “Sie müssen erkennen, dass es nicht an Ihnen lag. Ihr Ehemann hat Sie nicht betrogen, weil Sie nicht reizvoll sind. Glauben Sie mir, Lady, ein Mann würde töten für das Recht, Sie lieben zu dürfen.”
“Oh …” Seine Worte waren Balsam für ihre verwundete Seele. Nichts hätte sie so tief treffen oder so sehr erschrecken können. Lydia war nie mit einem anderen Mann als Tyler zusammen gewesen. In diesem Augenblick jedoch beschwor die unerwartete Vorstellung, wie Gordon sie nahm, sie liebte, heiße Bilder von ihnen beiden nackt im Gras neben der Quelle herauf.
Gordon las das Verlangen in ihren Augen, und er spürte ihren beschleunigten Herzschlag. Er begehrte Lydia. Er ließ ihr Kinn los, strich mit der Hand über ihren Hals zu den verführerischen Rundungen ihrer Brüste. Seine andere Hand hielt Lydias Kopf umfasst. Dann presste er den Mund auf ihre Lippen, feucht, heiß, hart. Einen Moment wehrte sie sich, dann öffnete sie den Mund, erlaubte ihm, in sie einzutauchen, sie zu schmecken, sie zu erobern.
Sie schmeckte so süß. Während er mit wilder Leidenschaft ihren Mund erforschte, streichelte Gordon ihre Brüste. Seine Lippen erstickten Lydias sehnsüchtigen Aufschrei.
Plötzlich kämpfte sie gegen ihn an und versuchte ihn wegzuschieben. Verloren in seiner Leidenschaft, dauerte es einige Minuten, bis Gordon erkannte, dass sie sich gegen ihn zur Wehr setzte. Verlangen und Angst spiegelten sich in Lydias Augen, als sie sich von ihm losriss.
“Es ist schon gut, Lydia. Alles in Ordnung.”
Schnell trat sie einen Schritt zurück und wich seiner ausgestreckten Hand aus. “Nein, ist es nicht. Das war falsch. Wir hatten kein
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