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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
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will und dass es mir leidtut, wie es gestern gelaufen ist. Aber wahrscheinlich ist es gut, dass ich es nicht konnte, denn im richtigen Moment wären mir die passenden Worte sowieso nicht eingefallen und ich hätte nur wieder Blödsinn gestammelt. Noah nach ihrer Nummer zu fragen, wäre zwecklos gewesen. Er tut mir keinen Gefallen mehr. Gestern kam eine SMS von ihm, die das ziemlich deutlich gemacht hat: Scheißkerl, halte dich bloß von uns fern. Wenn du Tamara noch einmal anrührst, wirst du es bereuen!
    Klar, er glaubt seiner langjährigen Freundin eher als mir. Aber das soll mich nicht kratzen. Ich weiß, dass ich in dieser Sache keine Schuld trage.
    Ächzend hieve ich mich aus dem Bett und schaue aus dem Fenster. Freitagabend … Verrückt, wie sich mein Leben verändert hat. Noch vor ein paar Monaten hätte ich mich jetzt, bis oben hin mit Spannung geladen, auf ein neues Treffen mit der Rosa Nera vorbereitet, während sich mein Bruder Fabio mit einer Flasche Rotwein auf sein Zimmer verdrückt hätte, um Baupläne zu erstellen. Bei dem Gedanken daran muss ich grinsen. Mein Bruder ist echt schräg. Er kann sich Stunden damit beschäftigen, herumzukritzeln und irgendwelche Gebäude zu entwerfen. Freiwillig!
    Wenn ich ihn fragte, warum er nicht lieber einen trinken geht, wie jeder normale Mensch in seinem Alter, meinte er, Gebäudezeichnen wäre sein Hobby und es würde ihn entspannen. Tja, mein Bruder eben … Aber irgendwie hatte ich immer den leisen Verdacht, Fabio würde sich lieber ernsthaft der Architektur widmen, anstatt Jura zu studieren, auch wenn es ihm angeblich so viel Spaß machte. Mal ganz ehrlich, wer steht schon darauf, ellenlange Paragrafen und Gesetzesauszüge auswendig zu lernen?
    Manchmal ließ Fabio seine Skizzen und Baupläne offen im Wohnzimmer liegen, damit unser Vater sie am Abend sehen würde. Keine Ahnung, ob er insgeheim auf ein Lob von ihm wartete oder auf einen anerkennenden Blick. Wenn er es tat, dann umsonst. Unser Vater lächelte nur schwach, wenn sein Blick zufällig Fabios penible und beinahe verbissen bis ins Detail ausgearbeitete Zeichnungen streifte, und schlug ihm halb aufmunternd, halb mitleidig auf die Schulter. »Und? Wie läuft das Jurastudium?«
    Er sah sich Fabios Arbeiten nie genauer an, obwohl mein Bruder, zumindest technisch betrachtet, alles andere als untalentiert war. Aber das hätte unser Vater nie zugegeben, denn dies wäre ja einem Eingeständnis gleichgekommen, dass er, Luciano Orsini, seine eigenen Söhne falsch eingeschätzt hatte. Alles, was das ausgefeilte System und die Autorität unseres Vaters infrage stellte, unterband er, bevor es ihm gefährlich werden konnte.
    Ich war der Kreative, aber leider Zügellose, der ständig Mist baute. Fabio dagegen war der Verlässliche und Gesetzestreue, der Lieblingssohn, der es immer allen recht machte und den man vorzeigen konnte. Eine Vermischung unserer Rollen gab es nicht. Durfte es nicht geben, damit das Orsini-Imperium nicht ins Wanken geriet. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen gegen meine Position und ritt mich dadurch nur noch mehr hinein. Und Fabio … Keine Ahnung, er blieb leise, unauffällig und gutmütig, selbst in seinen wenigen Versuchen, sich aufzulehnen. So, wie man es eben gewohnt war und es von ihm und seiner zurückhaltenden Art erwartete.
    Bei dem Gedanken an meinen Bruder und daran, dass wir uns so lange nicht mehr gehört, geschweige denn gesehen haben, schnürt sich mir plötzlich die Kehle zu. Wir sind zwar so unterschiedlich wie Tag und Nacht und ich war immer etwas eifersüchtig auf das relativ entspannte Verhältnis zwischen ihm und unserem Vater, aber gerade in den letzten Tagen hätten mir seine ausgeglichene Art und seine naive Zuversicht gutgetan. Ein paar seiner aufmunternden Worte, vielleicht ein Ratschlag in Bezug auf Jana. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber ich vermisse meinen großen fratello .
    Wir hatten noch nicht einmal die Chance, uns richtig voneinander zu verabschieden, als ich aus Rom abgehauen bin. Vor meinem Aufbruch herrschte das absolute Chaos. In meinem Kopf, aber auch um mich herum. Ich war bis zu meinem Abflug in der Klinik und unter ständiger Aufsicht der Carabinieri. Ärzte maßen jede halbe Stunde meinen Blutdruck und führten ein EKG nach dem anderen durch, der Physiotherapeut checkte meine Fitness, irgendein Typ machte sich mit Rasierer und Bleichmittel an meinen Haaren zu schaffen, meine Mutter saß heulend in der Ecke und mein

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