Wenn auch nur fuer einen Tag
Vater impfte mir pausenlos irgendwelche Verhaltensregeln für meine neue Identität ein, ohne mir dabei in die Augen zu blicken. Und Fabio … Er sah zu, dass es trotz aller Hektik einigermaßen gesittet zuging und dass in dem ganzen Stress keiner auf den anderen losging. Er besorgte Cappuccino und Panini und verbreitete Ruhe, soweit es eben möglich war. Von allen Anwesenden war er der Einzige, der mich nicht ununterbrochen zulaberte oder mir blöde Fragen stellte. Damals bin ich gar nicht auf die Idee gekommen, ihm dafür zu danken, aber jetzt würde ich es zu gerne nachholen. Nur darf ich nicht. Beck hat mir jeden Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden untersagt. Als wäre unser ganzes Haus verwanzt.
Automatisch greife ich zu einer Bierflasche auf dem Fensterbrett, setze sie gedankenverloren an und werfe sie angepisst in die Ecke, als ich merke, dass sie schon leer ist. Scheiße noch mal, ich habe Durst. Und Hunger. Missmutig öffne ich meinen Minikühlschrank, aber der Anblick ist erbärmlich. Ein letzter Rest Nutella – kein Brot. Die zwei sauren Gurken, die noch traurig in einem Glas herumschwimmen, verschwinden ratzfatz in meinem Mund. Dann schnappe ich mir kurz entschlossen meinen Laptop.
Es ist Anfang Mai und Beck hat demnach endlich wieder Geld rüberwandern lassen. Perfekt. Ich brauche jetzt unbedingt etwas, das mich aufmuntert und an zu Hause erinnert.
»Italienischer Lieferservice Hamburg« gebe ich bei Google ein, vergleiche ein paar Speisekarten und greife dann nach reiflicher Überlegung zu meinem Handy.
Jana
» Siediti pure , setz dich, Jana.«
Marco Rossi bietet mir einen Stuhl in seinem Büro an. Auf seinem Schreibtisch sieht es wie immer aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
»Und?«, frage ich, immer noch leicht beschwingt von meinem Wiedersehen mit Noah. »Heute schon irgendein neues Rezept erfunden?«
Rossis gigantischer Schnurrbart wackelt ein bisschen, als er seinen Mund zu einem Schmunzeln verzieht. »Hm, ich bin mir noch nicht sicher, mal sehen.« Er tippt geheimnisvoll mit dem Zeigefinger auf ein großes Buch mit rotem, speckigem Ledereinband. »Hier hinein schreibe ich alles, was mir zwischendurch so einfällt«, erklärt er. »Die besten Ideen habe ich allerdings nachts. Dann kann ich meistens vor Aufregung gar nicht mehr einschlafen, und ich stehe auf, fahre hierher und probiere sie sofort in der Küche aus.«
»Wirklich? Und was sagt Ihre Frau dazu?«
»Ach, die freut sich, denn wenn ich zurückkomme, bringe ich immer frische Brötchen zum Frühstück mit.«
Ich lache. Marco Rossi, den ich auf Mitte, Ende fünfzig schätze, ist wirklich der beste Chef, den man sich wünschen kann. Aber obwohl er alles andere als streng ist und nicht zu diesen schrecklichen Kontrollfreaks gehört, die einen ständig bei der Arbeit im Auge behalten, würde es, glaube ich, keinem seiner vielen Mitarbeiter einfallen, sein Vertrauen zu missbrauchen.
»Wie gefällt es dir denn in unserem Team?«, will Rossi von mir wissen und seine kleinen, wachen Knopfaugen blinzeln mich dabei freundlich an. »Ist so weit alles in Ordnung?«
»Ja, danke, es gefällt mir wirklich gut«, antworte ich wahrheitsgemäß.
Rossi betrachtet mich mit geneigtem Kopf. »Weißt du, Jana, natürlich freue ich mich darüber, dass du immer so bereitwillig einspringst, wenn Not am Mann ist, und du erledigst deine Arbeit sehr gut und zuverlässig, aber … Ein hübsches junges Mädchen wie du sollte am Wochenende eigentlich etwas mit seinen Freundinnen unternehmen. Oder besser noch – mit seinem Freund.«
Ich merke, wie ich rot anlaufe. »Auf diesem Gebiet ist im Moment leider nicht viel los.«
Rossi nickt. » Sì , ich weiß, solche Zeiten gibt es, das Problem ist nur: Wenn du dich immerzu versteckst und dich mit Arbeit überhäufst, dann wird sich daran auch nicht viel ändern. Achte darauf, dass du nichts übersiehst und am Ende zu spät erkennst, dass du etwas verpasst hast, mehr will ich eigentlich gar nicht sagen.« Er hebt mit gespielt strengem Blick den Zeigefinger. »Und wehr dich, wenn dir der alte Rossi zu viel Arbeit aufdrückt.«
Ich lache. »Das mache ich, versprochen.«
»Gut, dann verstehen wir uns ja. So, und nun werde ich dich um eine letzte Kleinigkeit für heute bitten. Es kam eben eine Bestellung rein, die auf deinem Nachhauseweg liegt. Könntest du die vielleicht noch übernehmen?«
»Klar, aber was mache ich dann mit dem Auto?«, wende ich ein. »Ich kann die Sachen ja schlecht in der
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