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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
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beschleicht. Ich weiß, ich sollte es nicht tun. Aber mein Gehirn blendet Becks Verbot einfach aus. Meine Finger drücken die Tasten meines Handys automatisch, ohne dass ich es ihnen befehle. Dann führe ich langsam das Handy an mein Ohr. Erst ist nichts zu hören, dann ein leises Klicken und dann … das Freizeichen. Mein Herz rast.
    »Pronto?«
    Ich mache den Mund auf, aber bei den ersten Versuchen zu antworten versagen meine Stimmbänder.
    » Sì , wer ist da bitte?«
    »Hier ist … Matteo«, bringe ich endlich krächzend hervor.
    Pause. Im Hintergrund fällt eine Tür ins Schloss.
    »Fabio?«
    »Matteo … Um Himmels willen, was … machst du da bloß? Warum rufst du an? Wo … Wo steckst du?« Sein Flüstern klingt aufgebracht.
    »Ich bin noch in Hamburg. Ich weiß auch nicht. Ich hatte das Bedürfnis, jemanden von zu Hause zu hören, schätze ich.« Auch ich flüstere, obwohl es unsinnig ist. Trotzdem dröhnt meine eigene Stimme in meinem Kopf. Ich höre Fabio atmen. Hastig und unruhig. Meine Beine fühlen sich schwach an und ich lasse mich auf mein Bett fallen.
    »Fabio? He, bist du noch dran?«
    »Ja, ich … Entschuldige. Tut mir leid, Matteo, ich freue mich natürlich, deine Stimme zu hören. Ich bin nur … völlig überrascht, das ist alles.«
    » Merda , ich freue mich auch, Bruderherz.« Ich merke, dass mir Tränen in die Augen schießen und ich kurz davor bin, loszuheulen wie ein Mädchen. »Ich weiß, ich soll niemanden anrufen, aber ich hab’s plötzlich nicht mehr ausgehalten. Los, erzähl schon, was geht zu Hause ab? Wie geht’s Mama?«
    »Tja, also … So weit ganz gut. Am Anfang war es hart, na ja … Sie hat viel geweint.«
    Mir schnürt sich die Kehle zusammen, als ich mir meine Mutter vorstelle, wie sie in ihrem Lieblingssessel am Fenster sitzt, schmal und zerbrechlich, mit rot verquollenen Augen und aufgelösten Haaren. So saß sie früher oft dort, aber dann hatte sie wegen meinem Vater geweint und nicht meinetwegen.
    »Seit zwei, drei Wochen ist es besser«, fährt mein Bruder fort. »Sie unternimmt viel mit ihren Freundinnen, das scheint sie aufzubauen. Und am Wochenende wurde Papa geehrt. Als international erfolgreichster Architekt.« In Fabios Stimme liegt so viel Stolz, dass ich verstehe, warum er seit jeher Papas Lieblingssohn ist. Ich habe nie derart mitgefiebert und so viel Interesse gezeigt, wenn es um die Arbeiten meines Vaters ging. Im Gegenteil, ich habe weggehört, sobald er darauf zu sprechen kam.
    »Wow, das ist ja … Wahnsinn«, sage ich jetzt jedoch und bemühe mich auch um etwas Enthusiasmus in meiner Stimme. »Und was ist mit dir? Wie läuft dein Jurastudium?«
    Fabio räuspert sich. »Ich … habe es geschmissen, ehrlich gesagt.«
    »Was? Aber du warst doch schon so weit, ich meine … All der Stress umsonst? Du hast die Nächte durchgebüffelt, um die Klausuren zu bestehen. Was hat Papa dazu gesagt? Ist er nicht total ausgerastet?«
    »Nein, wir haben uns lange unterhalten. Es war letztendlich sogar seine Idee, dass ich wechsle.«
    Ich merke, wie mir plötzlich mulmig wird. »Du hast gewechselt? Zu was?«, frage ich leise.
    »Ich studiere seit diesem Semester Architektur.«
    Mein Herz klopft laut. Ich kann es hören. Ich suche nach Worten, irgendeiner coolen Antwort, aber meine Zunge ist schwer und pelzig und klebt fest an meinem Gaumen.
    »Es macht mir wirklich Spaß«, höre ich Fabio sagen. »Viel mehr als Jura. Und ich glaube, ich bin auch besser darin … Mittwochs und samstags arbeite ich schon bei Papa im Büro … Matteo?«
    Meine Kehle ist trocken. Ich fühle mich komplett leer, trotzdem weiß ich, dass ich irgendetwas dazu sagen muss. »Wow, das hört sich gut an«, presse ich mühselig hervor. »Du hast ja immer schon gerne gezeichnet und … deine Sachen waren nie schlecht. He, wenn sie dir irgendwie helfen, dann nimm dir ruhig meine Ordner. Am Anfang habe ich noch ziemlich fleißig mitgeschrieben, also …«
    »Ja, danke, ich habe mich schon bedient. Es ist so, dass … Matteo, Papa braucht dringend jemanden, der ihn unterstützt. Die Firma steht so gut da wie noch nie, und ein Auftrag jagt den nächsten. Wenn du noch hier wärst, dann … hätte er bestimmt dich gebeten, ihm zur Hand zu gehen.«
    Ich bemühe mich, unbekümmert und verständnisvoll zu klingen. »Klar, das weiß ich doch, Bruderherz, du musst mir nichts erklären. Es ist scheiße, dass ich euch allein lassen musste, aber … hey, das wird schon.«
    Die Wahrheit ist, ich weiß ganz genau,

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