Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
hat, wenn es darum ging, euch Menschen in unsere Welt zu bringen, um uns ein wenig mit euch zu amüsieren. Er war der Ansicht, dass ihr hier nichts verloren hättet – dass dieser Ort nichts für euch wäre.
Nun … scheinbar hat er nun nicht nur seine Zahmheit, sondern auch seine Moralvorstellungen in tiefen Gewässern ertränkt … Eigentlich sehr erstrebenswert und ein Grund zur Freude. Wenn ich nicht noch eine kleine Rechnung mit ihm offen hätte …“
Der pechschwarze Himmel. Die verdörrten und knöchernen Bäume. Das merkwürdig einlastige und unvollständige Gefühl, welches sie empfunden hatte, bekam nun eine gänzlich andere Bedeutung. Der Wald hatte nicht auf der Erde gelegen. Sie war nicht in ihrer Welt. Sie war in der Welt der Sensaten.
„Hätte ich geahnt, dass du vorbeischaust, hätte ich ein Begrüßungskomitee für dich vorbereitet. Tja … den Teil haben wir eben einfach übersprungen. Stattdessen warten andere Überraschungen auf dich … Ich meine: Jetzt, wo du schon mal hier bist, musst du ja nicht gleich schon wieder gehen.“
Ein Frösteln glitt über ihre Haut. „Ich will nach Hause, zurück in meine Welt.“ Sie sagte es und wusste doch bereits, dass sie sich die Worte hätte sparen können.
„Ja, schon klar. Nur, dass ich das nicht will. Und du weißt ja: Ich bin so frei mir zu nehmen, was ich will. Zwar hat mein Plan nicht ganz die Früchte gezogen, die ich mir erwartet hatte, aber dann improvisieren wir eben ein wenig und sehen, was passiert. Mach dir keine Sorgen: Ich werde auf jeden Fall noch etwas Brauchbares mit dir anfangen können. Wir mischen die Karten einfach noch mal neu …“ Er legte den Kopf schief und sah sie zufrieden an.
Sie bewegte sich ein Stück weg von ihm und kniff sogleich die Lippen aufeinander.
"Tja ...", er musterte sie mit einem mitleidigen und anzüglichen Grinsen „ ... eine Weile Schonzeit brauchst du möglicherweise noch, bevor ich etwas mit dir anfangen kann. Allein schon, weil meine Gäste ein gewisses qualitatives Niveau gewöhnt sind. Und, verzeih mir, du siehst derzeit eher wie ein geschundenes Urwaldmädchen aus, Herzchen … Das fällt weder in die Kategorie niveauvoll noch qualitativ.“
Sie sah mit möglichst wenig Bewegung an sich herunter. Er hatte recht. Ihr Mantel war dreckig. Die Strumpfhose stellenweise mit großen Löchern versehen, in denen sich Dreck und getrocknetes Blut angesammelt hatte. In ihren Haaren hingen Gestrüpp und Blätter. Ihre Hände waren aufgeschoren und wund. Darüber hinaus war sie sich ziemlich sicher, dass sie unter den Klamotten ein Streuselkuchen von blauen Flecken erwartete. „Was ist passiert?“ Sie äußerte es als Frage. An Merkas und an sich selbst.
„Meine Männer haben dich auf ihrer Tour zufällig gefunden. Allein. Was interessant ist, da du doch nicht allein hier eingereist bist. Auf jeden Fall sah es so aus, als hättest du dir eine Kugelpartie den Abhang hinunter gegönnt. Einen Abhang, der nicht ohne war. Ziemlich hoch, steil und mit reichlich Gestrüpp versehen. Für einen derartigen Sturz siehst du ausgesprochen gut aus, und bist auch noch ausgesprochen heil. Wir können also beide von Glück reden, dass du so hartnäckig im Nehmen bist. Du, weil du sicherlich an deinem Leben hängst – und ich, weil ich dich noch brauche. Vielleicht wäre ich sogar ein klein bisschen traurig gewesen …“ Er grinste amüsiert.
Der Boden war ihr plötzlich abhandengekommen und alles hatte sich gedreht. Das musste der Sturz gewesen sein. Während sie bewusstlos war, hatte sie wohl die Zeitreise und die Begegnung mit Hekate erlebt. Vielleicht war das gar nicht so schlecht gewesen. Möglicherweise hätte sie viel mehr vom Sturz und vor allem vom Aufprall und den Schmerzen mitbekommen, wenn ihr Geist vollkommen präsent und bewusst in ihrem Körper gewesen wäre. Vielleicht war der Sturz aber auch notwendig gewesen, damit ihr Geist die Zeitreise und den Besuch bei Hekate machen konnte.
War vielleicht alles geplant und so gewollt gewesen? Meinte Hekate es tatsächlich gut mit ihr? War sie tatsächlich auf ihrer Seite? Oder handelte sie einzig aus eigenem Interesse heraus?
Ein unangenehmes Gefühl wogte in ihrer Magengegend auf und bewog sie dazu, jene Vermutung zu vergessen. Sie wollte weder undankbar sein, noch vorschnelle Urteile fällen. Was ein herausforderndes Unterfangen war, nach all dem, was passiert war. Denn immer noch lasteten die vergangenen Tage und ihre zugehörigen Ereignisse schwer auf
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