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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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können?“
    Hekate musterte sie eindringlich. „Es ist dein Verstand, der dir sagt, dass du am Boden bist. In Wahrheit aber stehst du noch aufrecht. Woher ich das weiß? Weil ich das Licht in dir sehen kann. Es ist nicht ertränkt von Dunkelheit. Du hast es dir bewahrt. Du stehst noch aufrecht. Deine größte Gabe und Fähigkeit, deine größte Stärke ist dein inneres Licht – und jenes Licht kann die Kraft sein, die das Samenkorn der Sensaten zum Leben erweckt.“
    Gwen schwieg. Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Sie versuchte sie anzuhalten und zu ordnen. Hekate gab ihr die Zeit.
    Irgendwann sagte sie langsam und gedehnt: „Ich bin also … eine Hexe. Von der du glaubst, dass sie dir helfen kann. Warum bin ich hier? Gerade jetzt? Warum bittest du mich ausgerechnet jetzt um meine Hilfe? Jetzt, da ich selbst schon genügend am Hals habe?“
    „Genau aus diesem Grund. Weil genau jetzt die richtige Zeit ist. Ich wusste, dass dieser Zeitpunkt eines Tages kommen würde. Ich wusste es, seitdem du und Nikolaj euch auf dem Spielplatz begegnet seid. Vielleicht wärst du niemals so weit gekommen. Vielleicht wärst du niemals so stark geworden, wenn ihr euch nicht begegnet wärt. Eure Begegnung hat dich unwiderruflich geprägt und verändert. Durch Nikolaj bist du gewachsen – so wie er auch durch dich. Dein Leben wieder ins Gleichgewicht zu bringen, ist gewissermaßen deine Feuerprobe. Wenn du sie bewältigst, dann kann dich nichts mehr in die Knie zwingen.“
    Von irgendwo in ihrem Inneren drängte verzweifelte Wut nach oben. „Hast du etwas mit all dem zu tun? Mit all dem, was passiert ist? Wolltest du, dass ich an diesen Punkt komme, sodass ich 
bereit 
werde? Für 
dich 
bereit werde?“
    Hekate bedachte sie mit einem durchdringenden Blick. Es war ein äußerst ungemütliches Gefühl, aber nichtsdestotrotz wollte sie eine Antwort auf ihre Frage.
    „Nein. Nichts von alledem habe ich geplant oder heraufbeschworen. Es war unvermeidbar. Es musste so kommen. Das ist alles, was ich damit meine.
    Manchmal lässt sich ein Blick auf die Fäden des Schicksals werfen und ich sah, dass wir uns eines Tages gegenüberstehen würden. So, wie wir es jetzt tun. Normalerweise bin ich die Mutter, die ihren Kindern zu Hilfe eilt. Doch diesmal bin ich diejenige, die um die Hilfe ihres Kindes ersucht. Die Erde ist nicht meine Welt, daher kann ich nicht in vollem Ausmaß in ihr wirken. Ich benötige ein Gefäß, wenn du mir die Bezeichnung gestattest. Gemeinsam könnten wir das Gleichgewicht wieder herstellen – aber es ist deine Entscheidung, es unterliegt deinem freien Willen, ob du dich dafür oder dagegen entscheidest.“
    Gwen war einige lange Minuten lang sprachlos und starrte auf ihre Füße. Wie gerne wäre sie jetzt an irgendeinem Ort, an dem sie vor all dem Ruhe hätte, was gerade um sie herum geschah. Einfach nur Ruhe, um alles zu verarbeiten und um wieder zu sich selbst zu kommen. Doch weder wusste sie, wo dieser Ort sein konnte, noch, wie sie dorthin gelangen konnte, ohne dass ihr irgendetwas – oder irgendwer – nachfolgte.
    Sie atmete tief, dann sagte sie: „Ich … muss darüber nachdenken … in Ruhe. Zuerst muss ich sehen, wie ich mein Leben wieder ins Gleichgewicht bekomme und rette, bevor ich irgendwem anderen helfen kann. Ich kann nichts versprechen … ich muss darüber nachdenken.“
    „Das ist dein gutes Recht“, erwiderte Hekate und kam auf sie zu.
    Etwas nervös wich Gwen einen kleinen Schritt zurück. Dann sprach sie eine weitere der Fragen aus, die unbändig in ihrem Kopf wirbelten: „Wenn ich tatsächlich eine Hexe bin, so wie Lilith. Warum … kann ich mich dann nicht wehren? Ich meine … ich müsste doch besondere Kräfte haben … oder nicht?“
    Hekate schmunzelte. „Lilith hat ihr ganzes Leben als Hexe verbracht. Sie war sich ihrer Fähigkeiten, ihrer Macht und Wurzeln bewusst. Durch deine Adern fließt ebenso das Blut einer Hexe, doch bist du dir dessen bisher nicht gewahr gewesen. Du hast deine Fähigkeiten begrenzt eingesetzt – doch dein wahres Potenzial hast du noch nicht geschöpft. In dir liegt noch vieles verborgen, aber es braucht Zeit, Übung und Aufmerksamkeit, dein Potenzial zu heben.“
    Gwen betrachtete gedankenverloren den weiß leuchtenden Boden zu ihren Füßen. Im nächsten Moment war sie in eine Umarmung geschlossen, Hekates Stimme in ihr Ohr wehend: „Ich weiß, dass du deinen Weg gehen wirst. Glaub an dich. Halte dich an dein Herz.“ Ein Kuss traf auf

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