Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
verspreche es dir unter einer Bedingung.“ Sie funkelte ihn fassungslos an. Wie konnte ER jetzt Bedingungen stellen?
„Ich verspreche es dir unter der Bedingung, dass du mir etwas versprichst. Wenn ich dir nicht mehr gut tue, sagst du es. Du sagst es und verheimlichst es nicht. Du sagst es und verdrängst es nicht. Du sagst es und versuchst nicht allein damit zu Recht zu kommen. Kannst du mir das versprechen?“
Sie sah ihn irritiert an. „Warum solltest du mir nicht mehr gut tun? Ich versteh dich im Moment echt nicht. Ich …“
Er ließ sie nicht aussprechen. „Wenn du mir dein Versprechen darauf gibst, gebe ich dir meines, dass ich dich in Zukunft selbst entscheiden lasse und nicht mehr über deinen Kopf hinweg für dich entscheide. Nur so läuft der Deal, Gweny. Nicht anders.“ An seinen Worten war nichts zu rütteln. Allesamt klar, direkt und unumstößlich.
Sie fühlte sich wie ertrinkend in einem Meer aus Emotionen. Ein Teil von ihr wollte nichts lieber, als hier bei Nick zu bleiben. Vielleicht, um gemeinsam einen Film anzusehen, zu kochen, Brettspiele zu spielen. Was auch immer. Einfach seine Anwesenheit genießen. Der andere Teil in ihr fühlte sich betrogen und angeschossen, wollte allein in einer Ecke schmollen und sich alles noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Der verletzte und ohnehin stark in Mitleidenschaft gezogene Teil trug den Sieg davon.
Sie ließ sich vom Barhocker gleiten. „Ich würde jetzt gerne nach Hause, ein heißes Bad nehmen und einfach ein bisschen abschalten. Außerdem muss ich noch in der Klinik anrufen und mich für meine nächsten Schichten entschuldigen. Ich denke nicht, dass es momentan eine gute Idee wäre, mich auf Patienten loszulassen. Ich fühle mich ja selbst wie jemand von der psychologischen Betreuungsstation.
Nikolaj sah offenkundig aus, als wolle er nicht, dass sie nun ging. Aber er sah auch noch genauso beharrlich und stur aus, was seinen Standpunkt betraf. „In Ordnung. Ich begleite dich nach Hause“, erwiderte er schließlich knapp. Er griff ihren Mantel von der Garderobe, half ihr hinein und zog sich seine Jacke über.
Draußen auf der Straße, im hellen Licht des Tages, stellte sie verblüfft – und verbittert – fest, dass Nikolajs Wohnung gerade mal ein paar Blocks von der Ihrigen entfernt lag. Sie brachten die Strecke in gemeinsamem Schweigen hinter sich. Zum ersten Mal hatte sich ein unangenehmer Hauch in die Stille hineingeschoben, der, wie sie vermutete, dem ungeklärten Zwist zwischen ihnen zuzuschreiben war.
Nach knapp zehn Minuten erreichten sie den modernen Neubau, in dem ihre und Joshs gemeinsame Wohnung lag. Sie wollte eigentlich nicht, dass sie so auseinandergingen, deshalb fragte sie: „Willst du noch mit raufkommen?"
Er bedachte sie mit einem schiefen Lächeln. „Um mir die Standpauke deines Freundes anzuhören? Nein, lieber nicht. Sag ihm erst mal was für ein netter Kerl ich bin, dann kann ich demnächst ohne Probleme reinschneien.“
Sie konnte nicht anders und bedachte ihn ebenfalls mit einem neckischen Lächeln. „Das überleg ich mir noch mal. Das mit dem netten Kerl, mein ich.“
Er beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Seine Lippen verweilten etwas länger auf ihrer Haut, als es üblich gewesen wäre. „Ruh dich aus. Ich komme vorbei, in Ordnung?“
„Hey!“ Auf ihren Ruf hin sah Nikolaj sich nochmals um. „Dir geht’s jetzt also wieder besser …? Du bist wieder in …
guter Verfassung
?
Sein Gesichtsausdruck ließ sich nicht lesen. „Das kommt immer darauf an, was du als gut definierst.“ Mit diesen Worten ließ er sie stehen und verschwand nach ein paar Metern um die nächste Straßenecke.
***
Sie stand noch eine ganze Weile da und starrte in die Richtung, in die Nikolaj verschwunden war. Aktuell wünschte sie sich nichts sehnlicher, als einen klaren und beweglichen Verstand, der einfach seinem Job nachging: Sachverhalte durchschauen, Sinn und Bedeutung erkennen, Informationen verarbeiten, Dialogen folgen, Lösungen und Ratschläge präsentieren. Doch diesem Anspruch wurde ihr Verstand augenblicklich nicht im Mindesten gerecht. Statt in Klarheit gehüllt, stellte er sich in einer ominösen Nebelwolke zur Schau. Statt mit elastischer Beweglichkeit, glänzte er mit kaugummiartiger Zähheit.
Was sollte sie jetzt gerade fühlen? Sollte sie sauer sein? Enttäuscht? Erleichtert? Verängstigt? Glücklich? Worüber sollte sie jetzt gerade nachdenken? Über ihr
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