Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
schon gewesen war. Und auch seine Aura hatte sich seltsam gewandelt. Nicht zum besseren. Jetzt, im Nachhinein, war klar, warum er verschwunden war und vor allem, was er getrieben hatte. Er hatte sich nicht auf Sensaten-, sondern auf Erdengrund herumgetrieben. Nicht für die üblichen Vergnügungsausflüge, sondern um ein Menschenmädchen aufzusuchen und Zeit mit ihr zu verbringen. Ohne Zweifel hatte die Göre ihn schon damals, im Kindesalter, mit irgendeinem faulen Trick in ihr Netz eingesponnen. Scheinbar hing Nikolaj noch heute in diesen Fäden. Wäre er zu diesem Zeitpunkt aufmerksamer und vor allem beharrlicher gewesen, hätte er sich schon damals dieser schwarzen Witwe widmen und sie zerquetschen können, wie ein lästiges Ungeziefer. Dann wäre es gar nicht so weit gekommen.
Erst als Nikolaj mit 18 Jahren unerwartet in sein Büro geplatzt war, wieder am Spiel teilnehmen und überdies seine Kontakte hatte nutzen wollen, hatte er auf eine Erklärung bestanden, die er, wenn nötig, auch aus ihm herausgeprügelt hätte. Zu diesem Zeitpunkt war ihrer beider Kinderzeit vorübergewesen. Die Seinige bereits etwas länger, als die des vier Jahre jüngeren Nikolajs. Während dieser sich in seinem Menschen gemachten Netz gewunden hatte, war er selbst zu einem einflussreichen und mächtigen Mann geworden, den keiner zu unterschätzen oder gar herauszufordern wagte. Es war ihm noch nie schwergefallen jemanden dazu zu bringen, das zu tun, was er von ihm wollte. Er war derjenige, der die Fäden in Händen hielt und alle anderen tanzten danach, weil sie nicht riskieren wollten, dass sich die Schnüre als Schlinge um ihre Hälse zog und sie erstickte.
Dass Nikolaj sich ihm entzogen und ihm stattdessen ein Menschengör vorgezogen hatte, erfüllte ihn mit einem ekelerregenden und überaus fauligen Geschmack im Mund. Es war wie ein Schlag ins Gesicht, eine anmaßende Beleidigung. Niemand umging ungestraft seine Autorität, lehnte sich gegen ihn auf oder spuckte auf seine Person. Niemand wagte freiwillig und bei Verstand einen solchen Drahtseilakt, da ihm ein Fall ins Bodenlose gewiss war.
Doch Nikolaj hatte genau das getan - und trotzdem hatte er ihn nach seinem Verrat bei sich wohnen lassen und ihm einen Job gegeben, als der Halbsensat in einer Mischung glühenden Zorns und verwundeten Geistes bei ihm aufgeschlagen war. Vielleicht war es der eindrucksvolle Zorn gewesen, der ihn besänftigt und zu einer Meinungsänderung bewogen hatte. Schon als sie Kinder gewesen waren, hatte er den Jüngeren unter seine Fittiche genommen, da er geahnt, da er gespürt hatte, dass dieser ihm durchaus von Nutzen sein konnte. Denn trotz seiner vermaledeiten Halbmenschlichkeit lag ein unbestreitbares Potenzial in Nikolaj verborgen. Darauf hatte er nicht verzichten wollen. Deswegen hatte er wohl über seinen Fehltritt hinweggesehen.
Doch dass der Bastard es nun tatsächlich wagte, das gleiche Spiel ein zweites Mal zu spielen und ihn abermals zum Narren zu halten, ging zu weit. Dieses Mal würde er die Sache nicht so einfach vergessen. Diesmal würde er dem Jüngeren eine Lektion erteilen, die ihm deutlich machen würde, dass man ihm nicht so einfach den Rücken zukehren konnte, wenn einem der Sinn danach stand.
Er würde Nikolaj eine Lektion in Sachen Respekt und Gehorsam erteilen, die ihn bluten ließ. Langsam und genüsslich, sodass er zusehen und jeden Tropfen genießen konnte, wie einen guten Wein …
***
Sie trat mit großen und selbstbewussten Schritten in den Raum, ließ sich schräg gegenüber dem schwarzhaarigen Mann in einen Ledersessel fallen und betrachtete eine Weile den Flammentanz des im Kamin lodernden Feuers.
Merkas nahm keinerlei Notiz von ihr, sodass sie nach einigen stummen Minuten ungeduldig und verärgert das Wort ergriff: „Er ist also tatsächlich zurück zu ihr? Zu seinem …
Herz
?“ Sie legte eine überaus angewiderte Betonung auf das letzte Wort.
Ein undeutbarer Ausdruck legte sich auf das Gesicht ihres Gegenübers. „Sieht ganz so aus“, gab er nach einer Weile tonlos zurück.
Sie presste die Lippen fest aufeinander, ballte die Fäuste und stierte wieder ins prassende Feuer. Bereits im Vorfeld hatte sie den Wahrheitsgehalt der Gerüchte einem seiner Handlanger abgeluchst. Es jedoch aus Merkas Mund zu hören, wenn auch äußerst beschnitten, bescherte ihr abermals das Gefühl ein viel zu enges Korsett zu tragen. Das wollte etwas heißen, denn sie trug die aufreizende zweite Haut oft und gerne bei
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