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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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fügte sie rasch noch hinzu. „Tut mir wirklich leid, wenn du dir Sorgen gemacht hast …“
    Er sah sie mit einer Mischung aus Unfreude und Unglaube an. Dem Mann und Freund in ihm schmeckte diese Information ganz offensichtlich nicht sonderlich gut. Der Anwalt in ihm befand diese Aussage schlicht für schwach, plump und unzureichend. Sie konnte fast sehen, wie es hinter der körperlichen Fassade arbeitete. Wie der Anwalt eine Vielzahl von Einwänden vorbrachte:
    „Warum hat sie getrunken? Das macht sie sonst nicht. Ihr verschollener Ex-Bester-Freund läuft ihr einfach mal so, ganz zufällig, mitten in der Nacht über den Weg? Wenn er so ein guter Freund ist, warum hat sie dann niemals von ihm erzählt? Wie kann man sich einfach so aus den Augen verlieren, wenn man sich so wichtig ist? Warum ist dieser Kerl und nicht sie an ihr Handy gegangen?“
    Gwen hatte weder die Nerven noch die Kraft jetzt Angeklagte und Kläger mit ihm zu spielen. Daher stellte sie sich auf die Zehenspitzen, streckte sich und gab ihm einen Kuss auf die Lippen, der dem in der Luft schwirrenden Kreuzverhör hoffentlich den Wind aus den Segeln nahm.
    „Ich werde ihn dir vorstellen, aber jetzt muss ich wirklich dringend ein heißes Bad nehmen. Ich glaube, ich werde krank. Vielleicht sehe ich deswegen so blass aus. Wollen wir – falls es mir später besser geht –, gemeinsam einen Abstecher auf den Wochenmarkt machen? Du weißt doch: Da gibt es samstags immer diese leckeren Aufstriche und frische Tulpen vom Land.“
    Mit diesem offenstehenden Friedensangebot ließ sie ihn stehen und verschwand im Bad. Sie hoffte inständig, dass er es damit auf sich beruhen ließ. Wenn nicht jetzt, dann zumindest, wenn sie ihm Nick vorgestellt und damit seine Existenz bewiesen hatte. Sie musste Nikolaj vorher nur noch in ihr beider Alibi einweihen. Er hatte gesagt, er würde vorbeikommen, aber sie musste ihn zuvor noch sprechen. Allein, ohne Josh. Und davor musste sie erst mal all ihre wirren Gedanken und Gefühle verarbeiten, im Krankenhaus anrufen, noch ein wenig schlafen und möglicherweise tatsächlich ihren eigenen Vorschlag umsetzen und auf den Wochenmarkt gehen. Dies war eigentlich nur versöhnende Floskel und gleichzeitiges Ablenkungsmanöver gewesen, denn Lust hatte sie darauf im Moment überhaupt keine.
    Sie drehte den Wasserhahn auf, gab einen großzügigen Schuss Kräuterbad in die Wanne und sah zu, wie sich im heiß dampfenden Wasser schaumige weiße Wolken auftürmten. Am Beckenrand sitzend ließ sie sich vom rhythmisch fließenden Wasser hypnotisieren, bis sie, als die Wanne zur Hälfte vollgelaufen war, in das heiße und wohltuende Nass sank, die Augen schloss und an nichts mehr zu denken versuchte.

VIER
     
    „ Ich wusste, dass euch diese Information brennend interessieren würde.“
    Das selbstgefällige Grinsen und der vorlaute Ton seines Angestellten gefielen Merkas überhaupt nicht. Dass er mit Neuigkeiten Nikolaj betreffend hier aufschlug, bedeutete keineswegs, dass er sich darauf groß etwas einzubilden brauchte. Es war sein Auftrag gewesen. Zu tun, was man ihm befohlen hatte, war keine besondere Leistung, sondern lediglich das, was von ihm erwartet wurde.  Je länger er den Mann ins Auge fasste, desto mehr Zorn quoll in ihm auf. Geschürt durch jenes überhebliche Auftreten, aber vor allem der Botschaft wegen, die er überbracht hatte.
    Nikolaj, dieser verdammte Bastard. Er hatte es geahnt. Hatte geahnt, dass so etwas passieren würde. Bereits an dem Tag vor einem guten Jahr, als Nikolaj seinen Job bei ihm gekündigt und ihm vor die Füße geworfen hatte, dass er in Ruhe gelassen werden wollte.
    Doch eigentlich hätte es ihm weit früher dämmern können. Schon im Kindesalter, als sie gemeinsam aufgewachsen waren, hatte Nikolaj sich nie wirklich passend oder am richtigen Ort gefühlt. Hier, in der Welt der Sensaten. Zwar hatte er es nie aus- oder angesprochen, doch war es gar nicht notwendig gewesen. Manchmal war es nicht nötig, dass Worte von Mund zu Ohr wehen. So manche Tatsache war stumm noch offensichtlich und ausdrucksstark genug, um sie erfassen zu können.
    Als Nikolaj im Alter von dreizehn Jahren ständig von der Bildfläche verschwunden war, ohne ihm oder irgendjemandem die Frage nach seinem Aufenthalt zu beantworten, spätestens da hätte er die Sache ernst nehmen sollen. Noch heute konnte er sich gut daran erinnern, wie Nikolaj sich damals deutlich verändert hatte. Er war noch reservierter geworden, als er es ohnehin

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