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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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den Geist eines Mannes verdrehte und vernebelte.
    So war sie ihm gefolgt, ohne dass er etwas von ihrer Anwesenheit bemerkt hatte. War ihm gefolgt, von dem Moment an, als er das rote Backsteinhaus verlassen, das Krankenhaus aufgesucht und sich in einem BMW aus der Stadt gemacht hatte. Bis hierher zu diesem Reihenhaus in einer kleinen Vorstadt.
    Nun beobachtete sie ihn dabei, wie er vor dem Haus verharrte und es so durchdringend und gebannt anstarrte, als ob er durch die Mauern blicken könnte. Nach einer knappen halben Stunde, trat er vor die Haustür und läutete. Das Licht ging an. Erst im Hausinneren, dann folgte die an der äußeren Hauswand angebrachte Leuchte. Kurz darauf öffnete ein älterer Mann mit leicht angegrautem Haar die Tür. Ein kurzer Blick auf Nikolaj reichte aus, um ihn zur Salzsäure erstarren zu lassen. Keiner der beiden wechselte ein Wort. Der taxierende Blick für ihr jeweiliges Gegenüber schien Ausdruck und Antwort genug zu sein, für das, was sie füreinander empfanden.
    Nikolai war derjenige, der die erste Regung vollführte. Er trat vor, drängte den Mann in die Diele zurück und schloss die Haustür. Damit entzog sich ihr alles Weitere und blieb blick- und hördicht hinter den Mauern verborgen.
    Sie harrte aus, wo sie war. Gut verborgen im Dunkel hinter einem dickstämmigen Baum, schräg zum Haus. Sie wartete knappe dreißig Minuten, bis Nikolaj wieder herauskam. Er ließ die Hände in die Taschen seiner Jacke gleiten, lief in großen Schritten zu seinem Wagen, stieg ein und entfernte sich aus der Straße.
    Sie wartete noch einen Moment, dann schritt auch sie auf den Sims vor der Haustüre zu. Neben der Klingel war ein handgeschriebener Familienname notiert: Perrault.
    Ein angeekeltes und boshaftes Grinsen zog sich über Céstines Lippen. Merkas hatte sich geirrt. Hätte er sie nach ihrer Einschätzung gefragt, hätte sie ihm vorab sagen können, dass dieser Plan nicht verlaufen würde, wie er es sich ausgemalt hatte. Nikolaj der Gunst des Mädchens zu berauben, würde ihn nicht von ihr ab- und in ihren Schoß zurückbringen. Er würde nicht eher wieder er selbst sein und zu ihr zurückkehren, ehe dieses Flittchen aus dem Weg geräumt war. Wenn Merkas es nicht auf die Reihe brachte, dann musste sie es eben in die eigenen Hände nehmen …

***
     
     

    Weitere zwei Tage verstrichen und das Hotel inmitten der Innenstadt war immer noch Gwens Zufluchtsort. Sie hatte sich noch nicht entschieden, was sie nun tun wollte – oder konnte. Da es keinen Sinn machte ohne Plan und Ziel aufzubrechen, behielt sie ihren Standort bei.
    Zwar verließ sie ihr Zimmer, jedoch nicht das Hotel. Sie wollte ihr Glück nicht herausfordern, da sie nicht genau wusste, was sie zu erwarten und womit sie zu rechnen hatte. Das Leben hatte neue Regeln angenommen. Regeln, die nicht mehr alltäglich und normal und damit nicht mehr kalkulierbar waren.
    Am Anfang hatte sie sich das Essen aufs Zimmer kommen lassen. Inzwischen ging sie hinunter in den Speisesaal. Die Anwesenheit der anderen Menschen, ihre Gespräche, ihr Lachen, beruhigten sie auf stimulierende Art und Weise und gaben ihr ein Stück weit das Gefühl von Normalität und Vertrautheit zurück.
    Als sie heute von ihrem Abendessen auf ihr Zimmer zurückkehrte, empfing sie noch vor der Tür stehend das Klingen ihres Handys. Hastig schloss sie auf, blieb einen Moment lang wie angewurzelt im Türrahmen stehen, ehe sie nach ihrem Telefon griff.
    Das Display zeigte ihre Mutter als Anrufer. Verwirrung, Freude und ein dumpfes Gefühl in der Magengegend wallten in ihr auf. Sie nahm ab. „Mum …?“
    Einen kurzen Augenblick lang drang nur das Knistern der Telefonleitung durch die Hörmuschel, dann rückte die Stimme ihrer Mutter in den Vordergrund. Müde und matt. „Gwen? Ich habe es erst über die Festnetznummer probiert … die von dir und Josh. Ich wusste nicht, dass ihr nicht mehr zusammen seid. Das ist schade … aber Gwen … warum ich anrufe … Es ist … etwas passiert.“ Ihre Mutter kämpfte mit den Worten.
    Sie kämpfte mit einem taumelnden Schwindel. „Mum … was ist passiert …?!“
    „Dein Vater … er hatte einen Herzinfarkt. Ich habe noch den Notarzt gerufen, aber es war schon zu spät. Er hat nicht lange … Es ging alles … recht schnell.“
    Taubheit füllte sie aus. Ihre Füße knickten ein und sie sank hinab auf den Fußboden. Stille, erfüllt von einem seltsamen Rauschen, pulsierte in ihrem Kopf. Die Information wollte nicht bei ihr

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