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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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sie beinahe zittern, zuviel reden und andere Leute unterbrechen lässt – sie braucht etwas im Magen, sie braucht ihre Haferflocken mit fettarmer Milch. »Aber das haben wir ja alles schon besprochen, und es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben, als es mit lächelndem Gesicht zu ertragen. Zum Wohl des Ganzen. Zum Wohl der Füchse.«
    »Oder es mit erträglichem Gesicht zu belächeln«, sagt Freeman lahm.
    »Wenigstens sind die Gerichte auf unserer Seite.« Alma spürt, wie ihr Lächeln aufblüht und wieder erstirbt. Sie greift nach dem Kaffeebecher, besinnt sich und legt die Hände in den Schoß.
    »Im Augenblick«, sagt Annabelle. »Aber darauf ist kein Verlass. Jedesmal wenn einer dieser Verrückten eine gerichtliche Verfügung beantragt, zittere ich bei dem Gedanken, wir könnten an einen Richter geraten, der es ebenfalls nicht kapiert.«
    »Amen«, sagt Alma. »Ich auch. Ich kann manchmal nicht einschlafen, wenn ich daran denke, was passieren würde, wenn sie uns jetzt stoppen, wo wir die Mittel investiert haben und es für die Füchse vielleicht bloß auf ein paar Wochen oder auch nur Tage ankommt. Ich meine« – wieder sieht sie in die Runde, ganz im Griff ihrer Emotionen, so angespannt, dass sie den Aus-Schalter nicht findet –, »die haben Geld im Rücken. Habt ihr euch mal die Website angesehen? Den Ticker, der zeigt, wieviel die Leute spenden? Und die örtlichen Zeitungen? Die Kommentare? Sie manipulieren die Öffentlichkeit. Es ist zynisch. Es ist dumm. Aber es funktioniert. Ich meine, dieses Schwein in der Zielscheibe?«
    Schweigen, als wäre das alles nicht zu ertragen, besonders nicht um halb neun an einem herrlichen Morgen, da die Sonne das Meer bescheint und die Braunpelikane – kurz vor dem Aussterben gerettet, weil die Menschen endlich gemerkt haben, dass DDT nicht gerade ein Vitamin ist – tief über dem Wasser herangleiten, um über den Zustand der örtlichen Anchovisbestände zu berichten. Dies ist kein Morgen für Ängste oder Zweifel – es ist ein Morgen zum Feiern, ein Morgen für Eier Benedict und Kuchen, für Entschlossenheit und konzertierte Aktion.
    »Dieser LaJoy«, sagt Frazier schließlich und sieht von dem Nest seiner gefalteten Hände auf, »muss der eigentlich auch mal arbeiten oder so? Der Mann scheint eine Menge Zeit zu haben. Herrgott, ich hab das Gefühl, jedesmal, wenn ich hierherkomme, marschiert er mit seinem blöden Schild da auf dem Parkplatz herum. Und ich kann euch sagen, diese bescheuerten Sprechchöre – ›Nazi‹ und ›Tiermörder‹ und so weiter – gehen mir richtig auf die Nerven.« Er hält inne, klopft sich die Brusttaschen ab und zieht tatsächlich eine Schachtel Zigaretten – Camel – hervor, besinnt sich aber. »Hätte ich fast vergessen: Rauchverbot an öffentlichen Orten in diesem wunderschönen Staat. Ich wollte nur sagen, vielleicht hätte zu Phase I gehören sollen ›Dave LaJoy ausschalten‹.« Er hebt den linken Arm, kneift ein Auge zu und betätigt mit der rechten Hand einen imaginären Abzug. »Peng!«
    »Die Munition würde ich bezahlen«, sagt Freeman.
    »Nicht dass ich gewalttätig veranlagt wäre oder so, aber manchmal müssen gewisse Spezies – oder einzelne Exemplare dieser Spezies – zum Wohl des Ganzen eliminiert werden, stimmt’s, Alma? Euthanasie. Das ist ein Wort, das mir gefällt. Hauptsache, es kommt ein Kaliber .223 zum Einsatz.«
    Ach ja. Allgemeines Gelächter, ein Gefühl von Gemeinschaft, von Kameraderie, und dann kommt das Essen, Teller um Teller voller Essen, und die Sonne lässt jeden einzelnen Mast im Hafen hervortreten und setzt die Wanten und Stage in Brand, während draußen, am Horizont, die Inseln schweben. Alles gut und schön. Aber Alma ist diejenige, die das, was LaJoy sich ausdenkt, am meisten zu spüren bekommt, sie ist diejenige, die sich bei öffentlichen Versammlungen hinstellen und so geduldig wie möglich die Gründe für das Töten erklären muss, sie ist diejenige, der ihr Name aus der Morgenzeitung entgegenspringt wie ein Schlag ins Gesicht, und es zehrt an ihr.
    Ein Ökosystem wiederherzustellen ist nie leicht – vielleicht ist es sogar unmöglich. Sie denkt an Guam, wo die Lage aussichtslos ist. Oder an Hawaii. An Florida. An Orte, wo so viele Spezies eingeführt worden sind, dass man kaum noch sagen kann, welche ursprünglich dort heimisch war und welche nicht. Gestern abend hat sie versucht, es ihrer Mutter zu erklären, denn die wollte es verstehen, wirklich, und Alma wollte, dass sie

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