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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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eigener, nur neuer –, und als er vor dem Eingang hält, aussteigt und Dave die Hand schüttelt, sieht er nicht anders aus als irgendein Vorstadtbewohner im Einkaufszentrum. Und er ist jung, viel jünger, als Dave ihn nach seiner Stimme am Telefon geschätzt hat – er kann nicht viel älter sein als er selbst.
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagt Dave und lässt die Hand des Mannes los.
    Eine verlegene Pause tritt ein. Stiles starrt ihn an, als erwarte er eine Lobeshymne für Errettung aus großer Not. Schließlich sagt er: »Ist das Ihr Haus?«
    »Ja.«
    »War wohl ganz schön teuer?«
    Dave zuckt die Schultern. »Kalifornien.«
    »Ich weiß genau, was Sie meinen.« Eine weitere Pause, länger diesmal. »Aber ich halte mein Wort, ganz gleich, was passiert, und wenn ich mich nicht irre, hatten wir uns auf dreißig Dollar das Stück geeinigt. Stimmt’s?«
    »Stimmt. Und wie viele haben Sie –«
    »Zehn. Jede in ihrem eigenen Sack«, sagt Stiles, geht zur Heckklappe seines Wagens und öffnet sie.
    Dave sieht hinein. Die gleiche Innenbeleuchtung wie in seinem Wagen, der gleiche graue Teppich, die gleichen Staufächer aus Kunststoff. Der Teppich ist mit einer Plastikplane abgedeckt, auf der die Säcke liegen und so harmlos wirken, als enthielten sie Zwiebeln oder Kartoffeln. Bei näherem Hinsehen bemerkt man Bewegungen, ein Spannen und Entspannen von Muskeln, das wie ein Beben über das stumpfbraune Sackleinen läuft.
    »Sie müssen sie getrennt halten, damit sie sich nicht gegenseitig beißen. Die sind nämlich gegen ihr eigenes Gift nicht immun, müssen Sie wissen. Ich hab’s schon erlebt, dass sie sich selbst gebissen haben – Selbstmord quasi. Bei dreißig Dollar das Stück sollten Sie das lieber vermeiden.«
    Bis zu diesem Augenblick hat er über die Tödlichkeit dieser Tiere gar nicht weiter nachgedacht – es sind eben Schlangen, Klapperschlangen, und wenn es die auf Santa Catalina gibt, warum dann nicht auch auf Santa Cruz, und was macht es schon, wenn Dr. Alma eines schönen Sommermorgens auf eine tritt? So ist die Natur nun mal, nicht? Doch jetzt, da er die nichtssagenden braunen Säcke betrachtet und um die darin lauernden Wesen weiß, verspürt er ein Prickeln, nicht anders als die mit Angst vermischte Erregung, die ihn überkam, als er zum erstenmal eine Pistole sah, ein regloses schwarzes Stück Metall, das im Haus eines Jungen aus der Nachbarschaft ganz unschuldig auf der Küchentheke lag. Sie war einfach da, matt schimmernd zwischen Zucker- und Keksdose, doch sie konnte jederzeit zu todbringendem Leben erwachen. »Wie muss ich mit ihnen umgehen? Ich meine, beißen die auch durch den Stoff oder was?«
    Stiles greift in den Kofferraum, packt einen der Säcke an dem Knoten, mit dem er verschlossen ist, und hebt ihn heraus. Die Muskeln an seinem Arm treten hervor. Das Ding in dem Sack bewegt sich. »Kann passieren. Aber denen gefällt’s in so einem Sack, sie mögen die Dunkelheit. Sie beißen nicht gern in was, was sie nicht sehen oder mit ihrem Radar wahrnehmen können.«
    »Mit ihrem Radar?«
    »So nenne ich das. Wärmesensoren. Damit können sie warmblütige Beutetiere aufspüren, wenn sie nachts herumschleichen. Mäuse und so. Kaninchen.« Er hält Dave den Sack hin. »Hier, wollen Sie ihn mal halten? Nein?« Ein Lächeln jetzt, verkniffen und mit leicht herabgezogenen Mundwinkeln. »Wenigstens mal nachsehen, was Sie kriegen für Ihr Geld?«
    »Nein«, hört er sich sagen und macht eine abwehrende Handbewegung. »Schon in Ordnung.«
    Schweigen. Stiles mustert ihn mit noch immer abschätzigem Blick. »Na gut, wie Sie wollen. Das wären dann dreihundert. In bar. Die Anfahrt ist umsonst. Soll ich sie in Ihren Wagen umladen?«
    »Ja, gut«, sagt Dave und versucht, die Brieftasche hervorzuholen und zugleich die Heckklappe des Yukon zu öffnen. »Brauche ich auch so eine Plastikplane?«
    Ein Schulterzucken. »Könnte sein, dass sie scheißen. Ein fieser Geruch, und wenn der erst mal in den Teppich eingezogen ist, kriegen Sie ihn nicht mehr raus. Aber Sie können meine Plane haben. Ich brauch sie nicht mehr.«
    So machen sie es. Wie ein Kellner, der das Tischtuch wechselt, breitet Stiles die Plane auf dem Boden des Kofferraums von Daves Yukon aus und streicht die Falten mit einer energischen Handbewegung glatt. Dann hebt er die Säcke, immer einen in jeder Hand, hinein und legt sie vorsichtig ab. Als er fertig ist, gibt Dave ihm das Geld, drei Hundert-Dollar-Scheine. Stiles fächert sie auf, faltet

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