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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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schließlich ganz kleinlaut wird und zugeben muss, dass er sich weder erinnert, was für Schuhe der Angeklagte am Tag des angeblichen Zwischenfalls getragen hat, noch sagen kann, ob sie sich irgendwie von denen unterschieden, die Wilson Robert Guttierez getragen hat, und anschließend darf Tim Sickafoose seine Pfeile verschießen, und so weiter, und so weiter.
    Er hat jede Menge Zeit zum Nachdenken (zum Beispiel war ihm nie bewusst, was für ein Langweiler Sterling ist: Seine Stimme ist wie die eines Fernsehsprechers im Spätprogramm, wenn sie die Popcornmaschinen und japanischen Küchenmesser an den Mann bringen wollen, sein Gesicht ist so schwer wie Schlaf, seine Haltung so schlaff, als wären die Knochen geschmolzen, sein Anzug ist ebenso langweilig wie seine Krawatte, aber vielleicht offenbart sich hier sein Genie, vielleicht will er den Richter langweilen, bis der ins Koma fällt, denn zu welchem Urteil würde ein komatöser Mann kommen, wenn nicht Freispruch?). Die Zeit schleppt sich dahin. Hin und wieder nimmt Anise seine Hand und drückt sie, eine Geste, für die er dankbar sein sollte, doch am liebsten würde er sich auf sie stürzen und sie würgen, denn er braucht kein Mitleid, kein Mitgefühl, keine Zuneigung oder was auch immer. Mitgefühl ist was für Schwache, für Schuldige. Es dauert nicht lange – Sickafoose hat seine Aussage noch nicht beendet und Sterling noch nicht angefangen, sie auf seine langweilige Art in Zweifel zu ziehen –, da beginnt er, Mitleid mit sich selbst zu haben. Sich Sorgen zu machen. Er mustert das Gesicht des Richters, als wäre es ein Fahrplan im Bahnhof, kompliziert, nichtssagend, tausend Strecken zu tausend Zielen. Er wird in den Knast wandern, dessen ist er sicher.
    Und warum? Weil er an etwas glaubt, an das einfachste und klarste moralische Gebot: Du sollst nicht töten. Es gab eine Zeit, da war er wie alle anderen, stopfte Burger in sich hinein, Hotdogs, Roastbeef, Salami, die Koteletts und Steaks und Hähnchenflügel, die sein Vater auf dem Grill briet und die seine Mutter mit Salat und Mais und frisch gebackenen Brötchen servierte, und wie alle anderen wusste er nicht, was dahintersteckte. Er ging zur Schule und aß in der Cafeteria die Spaghetti mit Fleischsauce, die Burritos und Tacos und das Carne asada, alles in Plastikschalen, verschlossen mit Alufolie. Auf dem Rasen des Gemeindecolleges saß er mit seinen Büchern, trank eine Cola, aß ein Sandwich mit Schinken und Avocado und verschwendete keinen Gedanken daran, dass der getrocknete, geräucherte, in Scheiben geschnittene Schinken einmal das Fleisch eines lebenden, empfindungsfähigen Wesens gewesen war. An Wochenenden schob er wie alle anderen seinen Einkaufswagen durch den Supermarkt, summte die Jingles und weichgespülten Beatles-Melodien mit, die aus den Lautsprechern sickerten, und das keimfreie Fleisch in der Kunststoffverpackung sah so harmlos aus, als wäre es von einem Baum gefallen, und die Hummer in ihrem Aquarium waren so wenig Gegenstand seines Mitleids oder auch nur seiner Neugier, als wären sie aus Holz geschnitzt. Irgendwo zog jemand eine Kuh auf, und irgendwo wurde sie geschlachtet und zerteilt, während irgendwo anders irgendein anderer Mensch in seinen Hummerfallen nachsah, ob sich irgendwelche dummen Tiere darin gefangen hatten. Die er dann verkaufte. Und in ein Aquarium warf. Und da blieben sie, mit gefesselten Scheren, und ihr Schicksal war besiegelt. Jemand legte Geld für sie hin, nahm sie mit nach Hause und kochte sie bei lebendigem Leib. So war das eben. Er dachte nicht weiter darüber nach.
    Das Erwachen war vor etwa zwanzig Jahren gekommen, nicht so sehr als unvermittelte Offenbarung, sondern vielmehr als ein langsames Lüften des Schleiers, ein Einströmen von Licht und Klarheit, das sein Leben veränderte. Er war sechsundzwanzig, arbeitete sechzehn Stunden am Tag in seinem ersten Laden, dem großen, im Zentrum von Santa Barbara, der in einem Durchgangsviertel lag, drei Blocks von der State Street entfernt, in einem gesichtslosen Betonbau, der von einer Autowerkstatt bis zu einer Dentalklinik alles hätte beherbergen können. Drei Straßen weiter war das Leben – Touristen, Bars, Restaurants, Geschäfte –, doch in diesem Block gab es nur eine Taquería und einen winzigen Park, der ausschließlich von Pennern und dem einen oder anderen bekifften Schüler und seiner tätowierten Freundin frequentiert wurde. Der Bürgersteig war mit dunklen Flecken übersät, in den verdorrten

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