Wenn das Verlangen uns beherrscht
direkte Lüge. Grace und Sie haben damals ziemlich viel Zeit miteinander verbracht.“
Er spürte, dass sie ihn ansah. An der nächsten Ampel wandte er sich zu ihr um. Was für blaue Augen sie hatte, das war ihm sofort aufgefallen, als sie in der Ankunftshalle auf ihn zugekommen war. Nur schwer mochte er sich von diesem Anblick lösen und musste sich geradezu zwingen, auf die rote Ampel zu schauen.
„Wenn ich nun aber als Spenderin infrage komme und Flynn das Knochenmark braucht, was sagen wir dann? Lässt sich die Wahrheit dann noch verheimlichen?“
„Darüber denken wir nach, wenn es so weit ist.“ Hoffentlich fiel ihm dann etwas Glaubwürdiges ein. Wieder umkrampfte er das Lenkrad. „Aber meine Familie darf nie erfahren, dass Grace nicht die biologische Mutter von Flynn ist. Unter keinen Umständen.“ Das hatte er Grace geschworen, und diesen Schwur würde er nie brechen. Er war ihr umso mehr verpflichtet, weil er sich für ihren Tod verantwortlich fühlte. Denn war er es nicht gewesen, der ihr geraten hatte, die Unglücksmaschine zu nehmen? Deshalb war er entschlossen, alles dafür zu tun, dass ihr Geheimnis gewahrt blieb.
Die Fahrt durch Charleston erinnerte Susannah lebhaft an die Jahre, die sie in dieser Stadt verbracht hatte. Nur wenige Straßenzüge vom Ufer entfernt bog Matthew in eine Einfahrt ein, die zu einem zweistöckigen Haus führte, einem Steinhaus, das von Efeu überwachsen war.
Nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte, trat er einen Schritt zurück und ließ Susannah eintreten. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, irgendwie war sie nervös. Immer wieder sagte sie sich, dass sie nur hier übernachtete, um zur Stelle zu sein, falls man sie brauchte. So einfach war das.
Dennoch musste sie sich eingestehen, dass sie erregt war. Und das war einfach lächerlich. Wie lächerlich das war, wurde ihr klar, als sie ins Haus trat. Als Erstes fiel ihr Blick auf ein großes gerahmtes Foto der sanft lächelnden Grace mit dem Baby auf dem Arm, das direkt gegenüber der Tür an der Wand hing. Und als Matthew sie durch das Haus führte, bemerkte sie, dass die Wände geradezu gepflastert waren mit Bildern von Grace und Flynn, mal mit, mal ohne Matthew, aber immer lachend und glücklich.
In ein solches Haus würde ein Mann nie eine Frau einladen, mit der er etwas anfangen wollte. Es war eindeutig, dass hier ein Mann wohnte, der seine verstorbene Frau immer noch von Herzen liebte.
Schließlich blieb Matthew stehen, öffnete eine Tür und schaltete das Licht ein. Vor Susannah lag ein großer Raum, in dessen Mitte ein Bett mit vier Pfosten stand. Die üppige Tagesdecke war in Rosa und Mauve gehalten und reich mit Spitze verziert.
„Das ist das Gästezimmer, und dort ist das Bad.“ Matthew wies auf eine Tür. „Wie wär’s, wenn Sie sich kurz frisch machten und dann in die Küche kämen? Die Küche ist unten links der Treppe. Sagen wir, in zehn Minuten?“
„Gut, in zehn Minuten.“ Sie sah ihm nach, wie er den Flur hinunterging, die breiten Schultern leicht vornübergebeugt. Wie schwer musste es für ihn sein, allein die Verantwortung für den kranken Jungen zu haben und gleichzeitig um die geliebte Frau zu trauern? Wenn sie doch nur … Doch Schluss, darüber wollte und durfte sie nicht nachdenken.
Sie schloss die Tür und zog sich um. Im Bad wusch sie sich Gesicht und Hände und betrachtete sich dann eine ganze Zeit lang im Spiegel. Ihr Leben hatte mit dieser kleinen Familie nichts zu tun. Sie hatte kein Recht, dort einzudringen. Bald würde sie abreisen und ihr eigenes Leben wieder aufnehmen. Mit einem Clip steckte sie ihr langes Haar hoch, dann nahm sie die Schultern zurück. So.
Mit festen Schritten ging sie den Flur entlang und die Treppe herunter.
Matthew stand vor dem Herd und rührte in einem Topf. Die Krawatte hatte er abgelegt und die Ärmel hochgekrempelt. Unwillkürlich blieb Susannahs Blick auf seinen kräftigen Unterarmen hängen. Ob er wohl regelmäßig ins Fitnessstudio ging?
„Hoffentlich mögen Sie Chilibohnen“, sagte er und wandte sich zu ihr um. „Das ist eins von Pamelas Spezialgerichten. Pamela ist die Haushälterin meiner Mutter, die oft für mich kocht.“
„Sehr gern.“ Hoffentlich hatte er nicht gesehen, wie sie ihn angestarrt hatte … Lächelnd kam sie einen Schritt näher. „Das riecht fantastisch. Kann ich irgendwie helfen?“
„Nein, danke.“ Er griff nach einem Teller und tat ihr eine ordentliche Portion auf. „Wenn Kara Sie auf ihre Liste
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