Wenn das Verlangen uns beherrscht
nur im äußersten Notfall einspringen.“
„Wie schnell brauchen Sie mich?“, fragte sie, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken.
„Bisher steht noch nicht fest, ob eine Transplantation nötig ist. Es müssen noch allerlei Tests gemacht werden.“ Kurz zögerte er, dann fuhr er stockend fort: „Aber ich wäre Ihnen … dankbar, wenn Sie … so schnell wie möglich kommen könnten.“
Tausend Dinge schossen ihr gleichzeitig durch den Kopf, während sie sich hastig in ihrem Büro umsah und dann ihre Termine in Gedanken durchging. Ja, es musste möglich sein, dass sie kurzfristig ein paar Tage freinahm. Urlaub hatte sie noch genug, und ihre Assistentin war so gut eingearbeitet, dass sie sie vertreten konnte. Sicher, es machte vielleicht keinen guten Eindruck, wenn sie so überstürzt ihren Arbeitsplatz verließ. Aber wenn das Kind sie brauchte, gab es keine andere Lösung. „Wohnen Sie noch in Charleston?“
„Ja. Sie nicht?“
„Nein, ich lebe jetzt in Georgia. Aber ich werde sofort alles Nötige regeln, damit ich die Nachmittagsmaschine nehmen kann. In welchem Krankenhaus liegt er?“
„Im St. Andrew. Aber, bitte, mailen Sie mir Ihre Flugdaten. Ich hole Sie am Flughafen ab.“
„Okay.“ Susannah stand auf. Das Handy ans Ohr gepresst lief sie den Flur hinunter. „Ich verspreche Ihnen, ich komme noch heute.“
„Bis dann, Susannah. Ich danke Ihnen.“
„Keine Ursache.“
Wenige Stunden später war Susannah bereits in Charleston. Während sie ihren Koffer durch die Ankunftshalle zog, sah sie sich aufmerksam um. Da, das musste Matthew Kincaid sein. Bei seinen gut einen Meter achtzig und der athletischen Figur war er kaum zu übersehen. Auch der dunkelblaue Anzug stand ihm ausgezeichnet. Sie hatte den Vater ihres Kindes nur einmal gesehen, damals, als sie den Vertrag geschlossen hatten, in dem sie sich bereit erklärt hatte, ein Kind für Grace auszutragen. Damals wie heute fand sie Matthew ungeheuer attraktiv. Dennoch, er war nicht der Grund, weshalb sie hier war. Sondern sein Sohn.
Jetzt hatte auch Matthew sie erkannt, kam auf sie zu und nickte ihr kurz zu, bevor er ihr den Koffer abnahm. „Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.“
„Ich bin froh, dass ich es einrichten konnte.“
Auf dem Weg zum Wagen sprachen sie kein einziges Wort. Susannah blickte in den klaren blauen Himmel über Charleston und musste unwillkürlich lächeln. Es war so gut, wieder hier zu sein, denn hier in Charleston war sie geboren und aufgewachsen.
Erst im Auto brach Susannah das Schweigen. „Ist Grace jetzt bei ihm?“, fragte sie, während sie den Sicherheitsgurt anlegte. Als Matthew nicht gleich antwortete, sah sie ihn fragend von der Seite an. Aber er blickte starr geradeaus, die Lippen zusammengepresst.
Dann holte er tief Luft und antwortete: „Meine Mutter ist bei ihm. Meine beiden Schwestern haben ihm heute Vormittag Gesellschaft geleistet, und Mom hat sie mittags abgelöst.“ Wieder schwieg er kurz, den Blick immer noch nach vorn gerichtet. „Grace ist vor einem Jahr gestorben“, stieß er dann leise hervor.
Oh Gott. „Wie ist sie denn …“ Doch dann verstummte sie. Was für eine unwichtige Frage. Ein Mann hatte seine Frau verloren, und ein kleiner Junge seine Mutter. Nur das zählte.
„Ein Absturz mit einem kleinen Flugzeug.“
„Oh, Matthew, das tut mir so wahnsinnig leid …“
„Warum? Sie können doch nichts dafür.“
„Das nicht, aber …“ Schockiert sah sie ihn an. Das Thema quälte ihn offenbar. Doch auch wenn sie sein Kind ausgetragen hatte, so war und blieb sie doch eine Fremde für ihn. „Und was ist nun mit Flynn? Was ist passiert?“, fragte sie weich.
Kurz umklammerte Matt mit den Händen krampfhaft das Lenkrad. „Er hatte einen Parvovirus. Eine Blutuntersuchung beim Arzt ergab, dass die Konzentration seiner weißen Blutkörperchen gesunken war. Und beim nächsten Test noch weiter. Die Ärzte glaubten anfangs, es sei ein vorübergehendes Problem. Das Knochenmark würde bald wieder anfangen zu produzieren.“ Er lachte kurz und trocken auf. „Aber sie irrten sich.“
„Hat man schon andere Behandlungsmethoden versucht?“, fragte Susannah.
Matt nickte knapp. „Ja, bisher ohne Erfolg. Deshalb haben die Ärzte vorgeschlagen, sich innerhalb der Familie schon mal nach möglichen Spendern umzusehen. Am besten sind Geschwister geeignet, dann die Eltern. Danach sieht es eher traurig aus.“
„Deshalb haben Sie mich angerufen.“
„Ja.“ Er schob die Sonnenbrille
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