Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn das Verlangen uns beherrscht

Wenn das Verlangen uns beherrscht

Titel: Wenn das Verlangen uns beherrscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Bailey
Vom Netzwerk:
holte ein großes Bilderbuch mit liebevoll gezeichneten Teddys auf der Umschlagseite und legte es Susannah auf den Schoß. „Das ist ein Buch von Tante Lily“, erklärte er mit wichtiger Miene.
    „So?“ Sie betrachtete das Cover. Aber erst als sie die Zeile „Zeichnungen von Lily Kincaid“ las, verstand sie, was er meinte. „Richtig. Na, das ist ja was ganz Besonderes“, erklärte sie und begann, die Geschichte vorzulesen.
    „So, das war’s“, sagte sie schließlich, klappte das Buch zu und sah Flynn an.
    Der Kleine strahlte. „Danke, Susi.“
    Zum ersten Mal hatte er sie angelächelt! Ohne nachzudenken nahm sie ihn in die Arme und küsste ihn auf die Stirn. Ihr traten die Tränen in die Augen, als sie den kleinen warmen Körper vorsichtig an sich drückte. Und da Flynn sich vertrauensvoll an sie schmiegte, zögerte sie, ihn wieder loszulassen. Jede Sekunde prägte sich ihr fest ein, und sie wusste, sie würde das Gefühl, ihn in den Armen zu halten, nie vergessen.
    Dann gab sie sich einen Ruck, öffnete die Arme und richtete sich langsam wieder auf. Als sie merkte, dass der Kleine sie aufmerksam ansah, wischte sie sich über die Augen und lächelte. „Wozu hast du denn jetzt Lust?“
    Unschlüssig nagte er an seiner Unterlippe. Dann winkte er, und Susannah beugte sich vor. „Kannst du mir etwas vorsingen?“, flüsterte er.
    Singen gehörte nicht gerade zu ihren größten Talenten, aber wahrscheinlich war ein Dreijähriger in diesem Punkt nicht so kritisch. „Aber klar“, sagte sie daher. „Was denn? Guten Abend, gute Nacht ?“
    Ohne sie aus den Augen zu lassen, schüttelte er langsam den Kopf. Offenbar hatte er einen ganz besonderen Wunsch. Wieder winkte er sie dicht an sich heran, als müsse er ihr ein Geheimnis mitteilen. „Kennst du Elvis?“
    „Nicht persönlich“, meinte sie schmunzelnd. „Aber ich kenne seine Songs. Soll ich einen seiner Songs singen?“
    Er nickte und sah sie dabei so hoffnungsvoll an, dass es ihr einen Stich gab.
    „Hast du einen besonderen Wunsch?“
    „Nein. Ich mag sie alle.“
    Erstaunlich. Wie viele Songs von Elvis mochte ein Dreijähriger kennen? „Na, gut.“ In Gedanken ging Susannah die Songs durch und entschied sich dann für Love me tender . Das Lied war bekannt und einfach zu singen. Sowie sie die ersten Zeilen gesungen hatte, überzog ein breites Lächeln Flynns blasses Gesicht, und er schmiegte sich an sie.
    Nach der ersten Strophe hielt sie inne. „Weiter, oder möchtest du lieber etwas anderes hören?“
    „Weiter“, sagte er sofort. „So wie du es singst, ist es richtig.“
    „Richtig? Was meinst du damit?“
    Kurz warf er einen verschwörerischen Blick zur Tür, als wolle er nicht bei dem ertappt werden, was er ihr jetzt zu sagen hatte. Dann flüsterte er: „Du singst es nicht so wie Tante Lily. Sie singt es viel zu schnell. Und sie tanzt dazu.“
    Susannah presste kurz die Lippen zusammen, um nicht loszulachen. Tante Lily schien ja eine lustige Person zu sein. „Dann magst du das nicht? Also gut, dann ohne Tanz. Ist Tante Lily die Einzige, die das Lied nicht so singt, wie du es gern willst?“
    „Wenn Daddy es singt, ist er immer traurig.“
    Unwillkürlich blickte sie auf die Tür, durch die Matthew verschwunden war, und das Herz wurde ihr schwer. Warum er wohl bei dem Lied traurig wurde? Vielleicht weil er dann an Grace denken musste? Weil es ihr Lied gewesen war?
    „Willst du nicht weitersingen?“, unterbrach Flynn sie in ihren Gedanken.
    „Doch, natürlich, mein Schätzchen.“ Während sie die zweite Strophe sang, achtete sie genau auf das Tempo und auch darauf, nicht traurig zu klingen. Als der Kleine sich wieder an sie kuschelte, war ihr, als weitete sich ihr Herz vor Glück.
    Matthew lief den Flur hinunter und warf im Vorbeigehen einen Blick durch das Türfenster. Unwillkürlich stockte sein Schritt, als er sah, wie vertraut sein Sohn und Susannah sich aneinanderkuschelten. Offenbar sang sie ihm etwas vor – wahrscheinlich den Elvis-Song, den Grace ihm immer vorgesungen hatte.
    Dass sie ihm etwas vorsang, wunderte Matthew nicht, denn Flynn brachte seine Besucher immer wieder dazu. Aber dass der Kleine so entspannt wirkte, so zufrieden und vertrauensvoll, das war ungewöhnlich. Seit dem Tod der Mutter hatte Flynn nie wieder so schnell Vertrauen zu einer fremden Person gefasst, sondern war im Gegenteil anfangs zurückhaltend, regelrecht misstrauisch gewesen. Wie hatte Susannah es geschafft, dass er sich jetzt so ganz anders

Weitere Kostenlose Bücher