Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen
lichterloh –, war mir nicht ganz klar. Friedrich-Wilhelm war von gedrungener Statur, hatte schütteres Haar und einen feisten Nacken. Vielleicht lag es an seinen dunklen Augen, an dem trägen und dabei hungrigen Blick, mit dem er das Engelchen auffraß. Die düsteren Prophezeiungen der Eltern verwirklichten sich nicht. Als sie drei Jahre später nach Berlin übersiedelte, war die Ehe noch voller Glanz und Gloria.
Das Engelchen führte mir beseligt ihr Brillantarmband, den eigenen kleinen Wagen und eine Hermelinstola vor – Friedrich-Wilhelm war Zahnarzt, und da er doch auch für seine Geschiedene und zwei Kinder sorgen mußte, war er offensichtlich ein Großverdiener.
Sie hatten eine imposante Wohnung mit nachempfundenen Renaissance-Möbeln und ein paar Biedermeierstücken, die Angela von daheim mitgebracht hatte. Es gab häufig Gäste. Zum engsten Zirkel gehörten eine kleine Schauspielerin, ein berühmter Lyriker und Madame Herma, bei der ich meine Kleider kaufte. Ich glaube, die meisten waren Patienten von F.-W. Zumindest hatten sie alle strahlend weiße, teure Zähne.
Das Engelchen war mir seit unserer Kinderzeit lieb, aber ich drückte mich vor den Einladungen. Ich mochte ihren Mann nicht. Seine Stimme wurde immer lauter, seine Krawatten immer auffallender, sein Kinn schwabbelig. Er mußte jetzt an die Fünfzig sein. Angela betete ihn an.
Hin und wieder traf ich die beiden zufällig bei einer Theaterpremiere oder setzte ihnen bei mir daheim pflichtschuldig Cocktails vor. Im übrigen beschränkte ich mich darauf, mit dem Engelchen gelegentlich zu telefonieren. Manchmal hörte ich auch von der kleinen Schauspielerin, wie es ihr ging, oder ich erfuhr bei einer Anprobe im Salon Herma, daß Angela sich einen kostbaren Teppich zugelegt, ein delikates, selbstgebackenes Souffle aufgetischt hatte oder sich überlegte, ob sie ihr Haar tizianrot färben sollte. »Der Doktor schwärmt nämlich für Rötlich!« erklärte mir Herma, »seine kleine Frau liest ihm doch alle Wünsche von den Augen ab, so fügsam und sensitiv. Die beiden könnten nicht besser zusammenpassen, er hat ja ebenfalls ein unbeschreibliches Zartgefühl!« Sein Zartgefühl lernte ich erst später kennen, aber daß Friedrich-Wilhelm für Rötlich schwärmte, schien zu stimmen, denn bald darauf sah ich ihn im Newa-Grill mit einer üppigen, echten Kupferroten speisen, und vom Engelchen war weit und breit keine Spur. Entweder war sie blond geblieben, oder der Friseur hatte nicht die richtige Nuance herausbekommen. Im Sommer, an einem regnerischen Abend, wäre ich fast in F.-W. hineingerannt, konnte aber noch rechtzeitig zur anderen Straßenseite hinüberwechseln. Er kam Arm in Arm mit einem blutjungen Mädelchen daher, einer Halbwüchsigen, Schmächtigen und beruhigend Brünetten.
Es war Instinkt, daß ich damals Angela anrief. Ich hätte keinen Vorwand gebraucht, aber aus lauter schlechtem Gewissen fragte ich, ob nicht nächste Woche ihr Geburtstag sei und was sie für ein Geschenk möchte.
»Du bist aber vergeßlich!« sagte sie. »Ich bin eine Jungfrau in der dritten Dekade. Erinnere mich bloß nicht daran, dieses Jahr werde ich sechsundzwanzig! Warum nicht ein Parfüm, so wie immer? Stell dir das nur vor, sechsundzwanzig!«
Ich stellte es mir vor. Daß um die Ecke schon die Dreißig lauerte. Angelas unschuldiger Kinderblick, die Ringellöckchen würden dann lächerlich wirken. »Und gibt‘s sonst was Neues?« erkundigte ich mich. Es sei alles in schönster Ordnung, sagte sie. O ja! Sie hatte eine bemalte Holzstatuette der heiligen Apollonia entdeckt und bereits angezahlt … »Geschenk für meinen Mann! Die Schutzheilige der Bader und Zahnbrecher – hast du das nicht gewußt? Er geht doch ganz in seinem Beruf auf, manchmal arbeitet er bis in die Nacht hinein!«
Nun, warum sollte Friedrich-Wilhelm nicht bis in die Nacht hinein arbeiten, er hatte ja tatsächlich viele Patienten. Auch klang die Stimme des Engelchens genauso fröhlich wie immer. Sie lud mich für nächste Woche ein – »in kleinem Kreis«, sagte sie, aber als ich hinkam, war es allerkleinster Kreis, nur sie und er.
»Auf Friedrich-Wilhelms ganz besonderen Wunsch!« erklärte Engelchen. »Er will dich in Ruhe genießen.« Ich glaube nicht, daß er mich genoß, er starrte entweder das Tischtuch an oder warf mir dunkle, schwermütige Blicke zu.
Als die Mahlzeit beendet war, bat er das Engelchen, sie solle selbst den Mocca zubereiten. »Keine macht ihn wie du – und bitte, ganz
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