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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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(legt das Spiel auf den Tisch und würfelt): Ich hab einen Sechser (würfelt noch einmal): Vier.
    Pitsch: Blödsinn! (würfelt gleichfalls:) Eins. – Das ist ein dummes Spiel!
    Gustl (würfelt): Neun!
    Pitsch: Das heißt fünf. (Zur Schwester:) Also fang an … (Alle trinken den Sekt.)
    Pitsch: Was habts ihr mir da hineingschütt?
    Schwester: Er is vom vorigen Jahr. (Zu Gustl:) Wir haben keinen anständigen Keller! (Setzt eine Figur:) Eines machen wir gleich aus. Nicht schwindeln!
    Pitsch (würfelt wieder): Zwei. Das hat ja kan Sinn! Wir sind doch erwachsene Menschen! Von oben bis unten Schwindel! – Können wir sonst nix anfangen?
    Gustl: Es ist erst halb acht …
    Pitsch (plötzlich wütend): Heuer wird net gfeiert! – Meiner Gattin wär das gar net recht!
    Schwester: Heuer habens sogar im Fernen Osten Waffenstillstand!
    Gustl: Laß wenigstens den Baum in Ruh!
    Pitsch: Aha! Eigentlich möchtst du ihn umwerfen! Du Eindringling!
    Gustl: Sag das noch einmal!
    Pitsch: Anhängsel!
    Gustl: Ich gehe nächstes Jahr in Pension.
    Pitsch: Anfressen hast dich wollen! – Und an meine Schwester anhängen! – An den Familienbesitz!
    Schwester (begütigend): Er hat mehrere Einladungen ausgschlagen.
    Pitsch: Im Kaffeehaus hat er erzählt, daß wir nur eine Dusche haben und sie nicht benützen!
    Gustl: Manche Menschen lernt man erst nach Jahrzehnten kennen. Wir werden uns wohl so bald nicht mehr sehen. (Er will gehen, kehrt noch einmal zurück, nimmt ein kleines Paket:) Mein Geschenk an die Familie. Französische Seife. Sie riecht nach Rosmarin. Schade. (Ab)
    (Stille)
    Pitsch (trinkt widerwillig den Sekt): Warum haben wir so wenig Freud an dem Fest?
    Schwester (schluchzend): Ich kann doch nix dafür …
    Pitsch: Ich glaub, ich weiß es … Weil es die Juden erfunden haben …
    (Man hört die Feuerwehr.)
    (Dunkel)

JOE LEDERER: Das Engelchen
    JOE LEDERER

    Das Engelchen

    Als ich sie das erste mal sah, hatte sie einen langen weißen Bart. In der Hand trug sie einen Holzstab. Sie war der anbetende Hirte beim Krippenspiel, das ihre Schulklasse für unseren Kindergarten aufführte. Sie blieb mir in Erinnerung, weil sie beim Niederknien den Bart verlor, in Tränen ausbrach und laut schluchzend die Bühne verließ.
    Als wir im nächsten Sommer in ein neues Haus übersiedelten, traf ich sie wieder. Sie hatte ein Kleid an und bunt gestreifte Söckchen, aber ich erkannte sie auf der Stelle. Sie wohnte in der Nachbarvilla. Eigentlich hieß sie Angela, aber sie wurde Engelchen gerufen.
    Obwohl sie drei Jahre älter war als ich, war sie immer bereit, mit mir in der Sandkiste schöne nasse Kuchen zu backen und zeigte mir, wie man Papierpuppen ausschneidet. Sie war ein sehr artiges Kind. Von der Sachertorte, die ich aus unserer Speisekammer klaute, aß sie keinen einzigen Bissen, als ich ins Gymnasium kam und für meinen Physikprofessor schwärmte, hörte sie verständnislos zu, sie begriff nicht, was in mir vorging.
    Das Engelchen trug seinen Namen zu Recht. Mit diesem unschuldigen Gesicht und dem blonden Ringelhaar wäre sie jederzeit als Christbaumdekoration zu verwenden gewesen.
    Sie hatte keine Geschwister und wurde von ihren Eltern unter einem Glassturz gehalten. Anscheinend beabsichtigten sie, sich nie von ihrer Einzigen zu trennen. Schon in der Schule durfte sie keine Jungen ins Haus einladen, die Tanzstunde nur in Begleitung besuchen. Jedes männliche Wesen wurde ihr ferngehalten, und das Resultat war, daß sie schließlich diesen Friedrich-Wilhelm heiratete.
    Es war zum Länderspiel Österreich-Deutschland aus Berlin nach Wien gekommen und hatte das ihm unbekannte Engelchen auf der Straße nach dem Weg zum Cafe Dehmel gefragt.
    Angela war damals zwanzig und Friedrich-Wilhelm vierundvierzig. Er ließ sich ihretwegen scheiden.
    Die Eltern waren entsetzt. Nicht nur, weil ihnen die Tochter entrissen wurde – noch dazu von einem Preußen –, sondern wegen des Altersunterschiedes und vor allem, daß das Glück auf einer zerstörten Ehe aufgebaut werden sollte. Aber Angela setzte ihren Kopf durch. Wer glaubte, daß das Engelchen aus Wachs sei, irrte sich. Wenn es ums Ganze ging, war sie jeder Situation gewachsen. Sie drohte, den Schutz des Vormundschaftsgerichtes anzurufen – eine Schande, die ihre Eltern nicht überlebt hätten. Sie gaben zwar nicht ihren Segen, aber ihre Einwilligung. »Du wirst es bitter bereuen«, sagten sie.
    Ich bekam Friedrich-Wilhelm nur kurz zu Gesicht. Was das Engelchen entflammt hatte – und sie brannte

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