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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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aus sind oder tatsächlich den gesamten Stoff der letzten drei Monate noch mal eben schnell in zwei Sätzen erklärt haben wollen, ist mir bis heute schleierhaft.
    Wie dem auch sei, irgendwann gibt es kein Zurück mehr: Die Klausur beginnt. Jeder schleppt sich mehr oder weniger erfolgreich durch die Aufgaben, und alle sind froh, wenn dieses Martyrium wieder vorüber ist. Erschöpfung macht sich breit, und viele resignieren: «Ey, ich hatte so ein Blackout. Ich hab gaaaaaar nichts richtig, Alter. Die Aufgabe drei und vier hab ich nicht, Aufgabe zwei hab ich falsch und Aufgabe eins nur zur Hälfte gemacht. So ein Scheiß! … Aber egal, Hauptsache vorbei.»
    Spätestens eine Stunde nach dieser kurzen Zeit der Erleichterung setzt die Phase der gesteigerten Negativprophezeiung ein. Würden alle Schüler immer die Noten bekommen, die sie sich in einer Mischung aus Angst und letzter Hoffnung selbst vor der Rückgabe einer Klausur gegeben haben, dann wären neunzig Prozent jedes Jahrgangs schon in der sechsten Klasse gescheitert. Eine kriminelle Karriere hätten die meisten trotzdem niemals eingeschlagen, denn sie hätten ja immer gedacht: «Och, nee. Den Juwelier können wir nicht überfallen, da werden wir bestimmt geschnappt, und wenn wir was erbeuten, dann ist das wahrscheinlich völlig wertlos.» Immerhin: Systematische Selbstzweifel verhindern Kriminalität, zumindest in diesem Fall.
    Die Phase der psychologischen Selbstzerstörung wird ebenfalls gerne von den schon angesprochenen Panikmädchen genutzt. Waren sie vor der Klausur von ihrem Scheitern schon überzeugt, so sind sie sich jetzt erst recht sicher: «Ich hab bestimmt ’ne 5 . Voll abgekackt. Ey, ich bin einfach zu doof für diese Welt. Ne 5 , verdammte Scheiße!» Begleitet werden diese Panikattacken gerne von zahlreichen Tränen und freundschaftlichen Umarmungen und Tröstversuchen, die in lauten Schluchzern enden.
    Dann kommt die Erlösungsphase. Die Klausur wird zurückgegeben, und die Mädchen, die eben noch eine 5 erwartend heulten, bejubeln nun ungläubig eine 2 +. Und dafür das ganze Theater. Aber ein bisschen Drama erhöht die Spannung eben ungemein.
    Natürlich ist auch der männliche Teil der Schulbevölkerung nicht vor solchen Fehleinschätzungen gefeit. Bei den Jungen vollzieht sich dies allerdings alles etwas ruhiger. Laut wird es erst bei der eigentlichen Klausurrückgabe, wenn dann der Jubel umso stärker ausfällt: «Jaaahahahaaaa! Jawohl, geschafft! Alter, Party!»
    «Was hast du denn?»
    «Ne 5 +, Alter, krass! Ich dachte, ich krieg ’ne 6 .»
    Zwar würde eine Schule bei durchgehend guten Leistungen nicht pleitegehen, aber man würde bestimmt die Leistungsanforderungen nach oben korrigieren. Denn ein paar Fünfen müssen schon dabei sein, sonst könnten Lehrer Sprüche wie «Tja schade, Fabio, das war schon wieder nichts. Für dich ist der Bildungszug wohl abgefahren!» ja gar nicht mehr anbringen. Das wäre doch ein echter Spaßverlust seitens der Lehrkräfte, und das will ja auch keiner.
    Der Durchschnittsschüler indes nimmt seine Klausurnote zur Kenntnis, schreibt sich den Termin der nächsten Prüfung auf und verfällt anschließend wieder in das gerade beschriebene Verhaltensmuster. Denn bis zur nächsten Klausur ist doch noch soooo viel Zeit …
    Mit Reform zur Uniform
    Immer wieder wird in Deutschland die Einführung der Schuluniform gefordert. Die meisten Lehrer, die ich hatte, waren dafür. Eine solche Uniform soll soziale Unterschiede vergessen machen, das Gemeinschaftsgefühl stärken und die morgendliche Klamottenwahl vereinfachen. Die Frage «Was ziehe ich denn heute an?» wird tatsächlich durch einheitliche Schulkleidung verbannt, denn das ist ja vorgegeben. Die meist weiblichen Opfer der Unentschlossenheit könnten also gerettet werden. Sie müssten sich dann nur noch entscheiden, welche Kette sie heute tragen wollen, welche Frisur, welche Armreifen, welche Haarspangen, welches Zopfgummi, welche Schuhe, welches Make-up, welche Ohrringe; Brille oder Kontaktlinsen, den Uniformrock oder die Uniformhose, Haare färben oder Natur und so weiter und so fort. Was wäre das für eine unglaubliche Vereinfachung, wenn da die eine Frage nach dem passenden Oberteil wegfallen würde.
    An der langen Liste der zusätzlichen Accessoires sieht man schon, dass auch der Punkt der sozialen Gleichheit nicht zu erfüllen ist. Es gibt noch so viele offensichtliche andere Dinge, die die finanziellen Unterschiede deutlich zeigen würden. Man

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