Wenn der Wind dich ruft
er sie verführt. Doch statt Scham, wie es richtig wäre, weckte ihr Anblick in ihm nur den Wunsch, sie zurück auf seinen Schoß zu ziehen und zu beenden, was er begonnen hatte.
Wenn du nicht dein blödes Geständnis gemacht hättest, du Narr, hätte sie dir gehören können. Die glatte, ölige Stimme kannte Julian nur zu gut, und er fragte sich, ob er wohl jemals ganz frei sein würde von Duvalier.
Er verfolgte mit müden Augen, wie Portia ihr Haar zu einem festen Knoten zusammenrollte und mit den übrigen Haarnadeln feststeckte, sie so rücksichtslos in die Frisur stach, dass er jedes Mal zusammenzuckte. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du mir einen so grausamen Streich gespielt hast.«
Er erhob sich. »Ich wollte nicht grausam sein, Portia. Ich hielt mich eventuell für klüger, als ich bin, aber ich bin nicht grausam.«
Seinem Blick ausweichend, steckte sie ein Stück Spitze, das irgendwie aus ihrem Ausschnitt gerutscht war, wieder zurück. »Ich bin mir sicher, es gibt eine völlig stichhaltige Erklärung. Es muss eine primitive Form von Hypnotismus sein, die du auf deinen Reisen gelernt hast. Ich habe schon oft gehört, dass Scharlatane und andere Schurken solche Praktiken zu ihrem eigenen Nutzen einsetzen.«
Er fasste ihre Handgelenke und drehte sie herum, sodass sie ihn anschauen musste; er würde nicht zulassen, dass sie ihn — und diese wilden, zärtlichen Augenblicke der Leidenschaft, die sie geteilt hatten — einfach so abtat. »Vielleicht gibt es ja eine völlig stichhaltige Erklärung. Vielleicht habe ich dir einfach die Entschuldigung geliefert, dass du endlich das tun kannst, was du nie aufgehört hast, dir zu wünschen.«
Sie schaute zu ihm auf, und in ihren Augen stand Sehnsucht, Gekränktheit. Er konnte erkennen, dass sie ihn immer noch berühren wollte, sich immer noch nach seinem Kuss sehnte, dem Gefühl seiner Hände auf ihrer Haut.
»Wenn das hier nichts als ein grausamer Streich ist«, sagte er leise, berührte mit der Hand ihre zarte Wange, »dann fürchte ich, wird er uns beiden gespielt.«
Ihre Augen schlossen sich, als wollte sie die Wahrheit seiner Worte ausschließen, leugnen, während sich ihre Lippen teilten, um sie zu bestätigen. Er senkte seinen Mund auf ihren, um diese Bestätigung zu kosten, als ein Klopfen an der Tür ertönte.
Portia machte einen Satz von ihm weg, errötete, als seien sie in flagranti ertappt worden, wie sie sich gerade auf dem Sofa vergnügten, statt nur bei einem Kuss.
»Herein!«, rief sie, sich rasch noch einmal mit bebenden Händen die Röcke glatt streichend und über die Haare fahrend.
Wilbury betrat schlurfend die Bibliothek, seine dünnen Lippen schmollend geschürzt. »Sie haben einen Besucher, Miss Cabot. Empfangen Sie heute Nachmittag Gäste?«
Sie runzelte die Stirn. »Wer ist es?«
»Der Marquis of Wallingford«, erwiderte der Butler gedehnt, dieselbe Begeisterung zeigend, mit der er möglicherweise Dschingis Khan und seine plündernden Horden angekündigt hätte. »Er behauptet, er wolle sich überzeugen, dass Sie unter keinerlei beunruhigenden Nachwirkungen leiden, nach Ihrem unheilvollen >Abenteuer< neulich Nacht.«
»Wie überaus freundlich von ihm«, murmelte sie mit einem nachdenklichen Blick auf Julians finstere Miene. »Warum führen Sie ihn nicht in den Empfangssalon und läuten nach Gracie um etwas zum Tee. Sicher ist Caroline so freundlich, für uns einzuschenken.«
»Warum bringen Sie ihn nicht einfach hierher, und ich schenke ein?«, schlug Julian vor und öffnete den Mund gerade weit genug, um einen flüchtigen Blick auf seine bedrohlich spitzen Reißzähne zu gewähren.
»Wenn ich es mir genauer überlege, Wilbury, warum nicht lieber das Musikzimmer nehmen? Die Fenster gehen alle nach Westen, und wir wollen doch keinesfalls nur einen Moment dieser schönen Wintersonne verschwenden, oder?« Portia schenkte Julian ein strahlendes Lächeln, das ihre Grübchen äußerst vorteilhaft zur Schau stellte. »Ich glaube hoffen zu dürfen, dass das Sonnenlicht mich in bestem Licht zeigt.«
Seine Miene verdüsterte sich weiter. »Oh, ich weiß nicht. Mir gefällt eigentlich, wie du im Dunkeln aussiehst.« Und wie du dich anfühlst , fügte sein glühender Blick hinzu.
Als Wilbury gegangen war, eilte Portia zur Tür, drehte sich noch einmal zu Julian um, jetzt, da sie ein sicherer Abstand trennte. »Mir ist gerade der Gedanke gekommen, wenn wir beide unter dem Dach deines Bruders wohnen, bis entschieden ist, was wir
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