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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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verlangte Adrian zu wissen und machte Anstalten, ihm den Weg zu versperren.
    »Nach draußen«, antwortete Julian knapp. Er weigerte sich, seinem älteren Bruder gegenüber nur einen einzigen Zoll nachzugeben. Früher hatte Adrian ihn mit nicht mehr als einem missbilligenden Blick lenken können. Doch jetzt standen sie sich Auge in Auge ebenbürtig gegenüber — und das sowohl körperlich als auch in Bezug auf ihre Entschlossenheit.
    »Denkst du, das ist ratsam?«
    »Ich weiß nicht. Es hängt davon ab, ob ich als dein Gast hier bin ... oder als dein Gefangener.«
    Als Julians Miene unnachgiebig blieb, trat Adrian zögernd beiseite, gab ihm den Weg frei, den Raum und das Haus zu verlassen.

11
    Julian schritt durch die belebten Londoner Straßen, als gehörte ihm beides: die Stadt und die Nacht. Jeder, der es wagte, ihm ins Gesicht zu sehen, wechselte danach hastig die Straßenseite, um ihm aus dem Weg zu gehen. Manche erkannten instinktiv ein Ungeheuer, wenn sie eines sahen, während andere schlicht gelernt hatten, dass es weiser war, keinen Mann zu provozieren, der mit Privilegien und Macht geboren war, aber dennoch mit der gefährlichen Anmut eines Raubtieres durch die Nacht streifte.
    Als ein bleichgesichtiger Angestellter aus Versehen gegen seine Schulter stieß, während er aus seiner Schreibstube auf die Straße trat, musste sich Julian sehr beherrschen, nicht wütend zu knurren. Er wusste, er sollte erleichtert sein, als die Menschenmenge allmählich abnahm, aber der Gedanke, dass sie alle nach Hause eilten an ihre gemütlich brennenden Kamine und in die willkommen heißenden Arme ihrer Lieben, verschlechterte seine Laune weiter. Ihm war noch nicht einmal Cuthberts Gesellschaft geblieben, um ihn aufzuheitern. Die Nachricht, die er ihm früher am Abend durch einen Lakai hatte zustellen lassen, war mit intaktem Wachssiegel und unbeantwortet wieder zurückgekommen.
    Obwohl er ungehindert durch die Straßen gelangte, fühlte er sich, als zöge er nach wie vor die Ketten aus der Gruft hinter sich her. Duvaliers höhnische Worte hatten nie aufgehört ihn zu verfolgen.
    Du enttäuschst mich, Jules. Ich hatte mir so viel von dir versprochen. Du willst kein Vampir sein, aber du bist auch kein Mann.
    Duvalier hatte sich geirrt. Er war beides, Vampir und Mann, und verdammt zu dem Hunger beider. Hunger, der an dem schmerzenden Loch in ihm nagte, wo einmal seine Seele gewesen war, jedes Mal, wenn er Portia anschaute, ihre milchig-weiche Haut liebkoste, die verbotene Süße ihrer Lippen kostete.
    Duvalier hätte sich gefreut zu erfahren, dass er sich nach all diesen Jahren immer noch nach ihrem Fleisch und ihrem Blut verzehrte.
    Jemand stieß ihn von hinten an, und er fuhr herum, seine Lippen unwillkürlich zu einem Zähnefletschen zurückgezogen.
    Eine Frau stand da, ihr hübsches sommersprossiges Gesicht von einem Kranz rotbrauner Locken umgeben. »'tschuldigung, mein Herr. Meine Mutter sagt ständig, ich bin ungeschickt genug, um über meine eigenen Füße zu stolpern.«
    Obwohl ihr Mantel fadenscheinig und abgetragen war, hatte sie sich mit ihrem Aussehen Mühe gegeben. Helle Rougeflecken zierten ihre Wangen, und hinter ein Ohr hatte sie sich ein welkendes Stiefmütterchen gesteckt.
    »Es ist nichts geschehen, Miss«, beruhigte er sie knapp. »Ich bin sicher, die Schuld liegt allein bei mir.«
    Ehe er sie stehen lassen konnte, legte sie ihm keck eine Hand auf den Unterarm. »Es ist bitterkalt heute Nacht, Sir. Ich dachte, Sie sind vielleicht auf der Suche nach etwas Weicherem als einem heißen Ziegelstein im Bett, um Sie zu wärmen.«
    Er konnte sie haben, das erkannte Julian an ihrem abwartend geneigten Kopf, dem billigenden Glitzern ihrer Augen. Sie hielt ihn für einen Gentleman, nicht für eine Bestie.
    Nichts würde ihn davon abhalten, ihr Angebot anzunehmen und mit ihr zu dem nächsten Gasthof mit einfachen, aber sauberen Laken zu gehen. Er konnte sie umwerben mit Worten, wie Portia ihm spöttisch vorgehalten hatte, und dann seinen Hunger an ihr stillen, wie auch immer er es wollte. Wenn seine erfahrenen Zärtlichkeiten erst einmal die Erinnerung an die ungeschickten Hände und die schweren, keuchenden Männer, die vor ihm gewesen waren, vertrieben hatten, bezweifelte er, dass er nur eine Münze dafür würde zahlen müssen.
    Aber er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass es ihn etwas kosten würde, das ihm wesentlich teurer war.
    Den Stich des Bedauerns ignorierend, zog er eine Münze aus seiner

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