Wenn der Wind dich ruft
Stimmung antreffen werden.«
Er zügelte das Pferd, sodass es in Schritt verfiel. »Hoffentlich gibt er mir die Chance, alles zu erklären, ehe er seine vermaledeite Armbrust zückt.«
»Sei nicht albern.« Sie tätschelte ihm aufmunternd das Knie. »Er würde es nicht wagen, dich zu erschießen, ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen.«
Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Erinnere mich, stets darauf zu achten, in deiner Gunst zu bleiben, du blutrünstige kleine Hexe.«
»Damit kannst du gleich anfangen«, erwiderte sie und hob ihm ihr Gesicht zu einem langen, gründlichen Kuss entgegen.
Als sie sich schließlich voneinander lösten, schneite es noch stärker. Portia betrachtete den Himmel stirnrunzelnd. »Das sind die dicksten Schneeflocken, die ich je gesehen habe.«
Julian wischte ihr eine Flocke von der Wange, dann rieb er seine Finger aneinander. Ein schwarzer, schmieriger Film blieb zurück. Langsam hob er den Kopf, schaute sie an. »Das ist kein Schnee. Das ist Asche.«
Seine Miene wurde grimmig, er nahm seinen Arm von ihren Schultern und klatschte der Stute mit den Zügeln auf den Rücken, trieb sie an. Portia klammerte sich an der Wand der Kutsche fest, während sie die letzte Strecke zu Adrians Stadthaus rasten. Als sie sich dem Gebäude näherten, sahen sie beide sofort, dass etwas nicht in Ordnung war.
Überhaupt nicht in Ordnung.
Denn dort stand kein Haus mehr — nur eine ausgebrannte Ruine, die sich schwarz vor dem dunkelblauen Nachthimmel abzeichnete.
17
Graue Rauchwolken und Asche wehten durch die Luft, verschmutzten den fallenden Schnee. Der Gestank von verbranntem Holz hing über der schwelenden Ruine des Stadthauses. Hier und dort stiegen noch einzelne Rauchfäden wie Gespenster aus den geschwärzten Balken und verrußten Mauern empor. Ein Schaukelpferd lag auf der Seite unter einem Haufen Schutt, der leuchtend bunte Lack hatte Blasen geworfen und pellte sich von dem Holz. Als Portia in benommenem Entsetzen zuschaute, brach die komplette Treppe im Obergeschoss in einem Funkenwirbel zusammen, das schöne Klavier unter sich begrabend.
Umgestülpte Eimer standen überall auf dem kleinen Platz und in dem schmalen Stück Vorgarten am Haus herum. Ein Wagen mit einer verlassenen Handpumpe stand an einer Straßenecke, der Lederschlauch lag wie eine erschlagene Schlange auf dem Pflaster — der eindeutige Beweis, dass die Feuerwehr entweder zu spät eingetroffen war oder zu früh aufgegeben hatte.
Adrians Nachbarn und mehrere schluchzende Dienstboten standen dicht zusammengedrängt auf der anderen Straßenseite, manche nur mit Morgenrock und Schlafmütze bekleidet. Als Portia aus dem Wagen stieg, sich wie in einem Alptraum gefangen bewegte, konnte sie ihre mitleidsvollen Blicke spüren.
Sie ging zum Haus, Julian folgte ihr wie ein Schatten.
»Portia!«
Der freudige Ausruf erschreckte sie so, dass sie beinahe aufgeschrien hätte. Sie konnte nur wie erstarrt stehen bleiben, als Vivienne zu ihr gelaufen kam. Der Anblick des Hauses hatte sie derart in seinen Bann gezogen, dass sie noch nicht einmal wahrgenommen hatte, dass Larkins Kutsche unter den ausladenden Ästen einer Eiche stand.
Ihre Arme Portia um den Hals werfend, brach Vivienne in Tränen aus. »Oh, Portia! Ich bin so froh, dass es dir gut geht! Wir hatten solche Angst um dich.«
»Wir?«, flüsterte Portia, wagte es nicht, dem Wort zu viel Gewicht beizumessen.
Vivienne packte ihre Hand und versuchte sie zur Kutsche zu ziehen, aber Portia stemmte sich dagegen.
Ohne etwas von ihrer Qual zu bemerken, redete Vivienne ohne Pause weiter. »Als heute keine Nachricht von dir oder Julian eintraf, fürchteten wir das Schlimmste. Ich habe allen zu sagen versucht, dass alles am Ende gut werden würde, weil das fast immer so ist. Aber dann kam einer von Adrians Dienstboten und berichtete, dass das Haus in Flammen stünde. Ich muss gestehen, als wir hier ankamen und ich selbst sah, wie schlimm es war, da hätte ich beinahe meinen Glauben verloren. Aber jetzt, wo du da bist, weiß ich, dass alles ...« Sie brach ab, als ihr schließlich doch auffiel, dass sie an Portia zerrte, die sich aber nicht von der Stelle bewegte.
»Es ist Portia«, rief sie über ihre Schulter. »Sie ist heimgekommen.«
Mehrere Gestalten traten hinter der Kutsche hervor, ihre Gesichter in die gefleckten Schatten des kahlen Geästs der Eiche getaucht.
Da war Larkin, dessen Augen noch schwermütiger blickten als sonst. Wilbury, dem das Nachthemd wie ein
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