Wenn die Dunkelheit kommt
es hat. Das ist nicht nur ein Kampf um ein Gebiet, nicht nur ein Machtkampf. Für Lavelle ist es ganz eindeutig ein Rachefeldzug. Er will mich auf jede nur denkbare Weise leiden sehen. Er hat vor, mich zu isolieren, und hofft, mich zu vernichten, indem er mir mein Imperium raubt und meine Neffen und meine Söhne tötet. Ja, alle - einen nach dem anderen. Er droht, auch meine besten Freunde zu ermorden, jeden, der mir jemals etwas bedeutet hat. Er schwört, er werde meine fünf geliebten Enkelkinder töten. Können Sie sich so etwas vorstellen? Er bedroht kleine Kinder! Keine Rache, ganz gleich, wie gerechtfertigt sie sein mag, sollte jemals unschuldige Kinder treffen.«
»Hat er Ihnen tatsächlich gesagt, daß er all das tun wird?« fragte Rebecca. »Wann? Wann hat er es Ihnen gesagt?«
»Mehrmals.«
»Sie sind persönlich mit ihm zusammengetroffen?«
»Nein. Ein persönliches Treffen würde er nicht überleben.«
Das Image des Bankiers hatte sich in nichts aufgelöst. Die vornehme Fassade war zerbröckelt. Der Alte wirkte mehr denn je wie ein Reptil. Wie eine Schlange in einem Tausend-Dollar-Anzug. Eine sehr giftige Schlange.
Er fuhr fort: »Dieser Dreckskerl von Lavelle hat mir das alles am Telefon gesagt. Er hat mich unter meiner geheimen Privatnummer angerufen. Ich lasse die Nummer ständig ändern, aber der Schleicher bekommt die neue jedesmal in die Finger, praktisch sofort, wenn sie angeschlossen ist. Er erzählt mir... er sagt... wenn er meine Freunde, meine Neffen, Söhne und Enkel getötet hat, dann... er sagt, er wird... er sagt, er wird...«
Einen Augenblick lang war Carramazza angesichts der Erinnerung an Lavelles arrogante Drohungen unfähig weiterzusprechen. Zorn blockierte seine Kiefer; seine Zähne preßten sich aufeinander, die Muskeln an Hals und Wangen traten hervor. Seine dunklen Augen, die einem Angst einjagten, funkelten jetzt in so intensiver, unmenschlicher Wut, daß sie sich Jack mitteilte und ihm einen Schauder über den Rücken jagte.
Schließlich bekam sich Carramazza wieder unter Kontrolle. Aber als er sprach, war seine Stimme nur mehr ein stoßweises, kaltes Flüstern: »Dieser Abschaum, dieser Niggerbastard, dieses Stück Scheiße - er sagt, er will meine Frau abschlachten, meine Nina. Abschlachten, das war das Wort, das er verwendete. Und wenn er sie geschlachtet hat, sagt er, dann wird er mir auch meine Tochter wegnehmen.« Die Stimme des alten Mannes wurde weich, als er von seiner Tochter sprach. »Meine Rosie. Meine wun- . derschöne Rosie, die Freude meines Lebens. Sieben undzwanzig ist sie, aber sie sieht aus wie siebzehn. Und klug ist sie. Studiert Medizin. Wird Ärztin. Fängt dieses Jahr mit ihrem Praktikum an. Eine Haut wie Porzellan. Die schönsten Augen, die Sie je gesehen haben.« Er schwieg einen Augenblick, als er Rosie im Geiste vor sich sah, dann wurde sein Flüstern wieder scharf. »Lavelle sagt, er will meine Tochter vergewaltigen und sie dann in Stücke schneiden, zerteilen... vor meinen Augen. Er hat die Dreistigkeit, solche Sachen zu mir zu sagen.« Der alte Mann schwieg ein paar Sekunden; er atmete in tiefen, zittrigen Stößen. Seine Klauenfinger ballten sich zu Fäusten, öffneten, schlössen, öffneten, schlössen sich. Dann: »Ich will, daß jemand diesen Bastard unschädlich macht.«
»Sie haben alle Ihre Leute auf ihn angesetzt?« fragte Jack. »Alle Quelle n angezapft?«
»Ja.«
»Aber Sie können ihn trotzdem nicht finden.«
»Neiiiin«, gestand Carramazza ein, und als er dieses eine Wort so in die Länge zog, ließ das eine Frustration erkennen, die fast ebensogroß war wie sein Zorn. »Er hat seine Wohnung im Villa ge verlassen und ist in den Untergrund gegangen, versteckt sich. Deshalb erzähle ich Ihnen all das.«
Jack fragte: »Sie haben uns erzählt, daß Lavelles Motiv Rache ist. Aber wofür? Was haben Sie ihm angetan, daß er Ihre ganze Familie, sogar Ihre Enkel auslöschen will?«
»Das werde ich Ihnen nicht sagen. Ich kann es Ihnen nicht sagen, denn wenn ich es täte, würde mich das möglicherweise kompromittieren.«
»Wohl eher belasten«, sagte Rebecca.
Jack schob das Foto von Lavelle in den Umschlag zurück. »Ich habe mir schon wegen Ihres Bruders Dominick Gedanken gemacht.«
Bei der Erwähnung seines toten Bruders schien Gennaro Carramazza zusammenzuschrumpfen und schlagartig zu altern.
Jack fuhr fort: »Ich meine, er wollte sich doch in diesem Hotel hier offenbar verstecken, als Lavelle ihn erwischte. Aber wenn er
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