Wenn die Dunkelheit kommt
Betrüger.«
»Er ist kein Betrüger. Er glaubt an das, was er tut. Ich sagte, ich würde heute noch einmal zu ihm kommen.«
»Das ist blödsinnig.«
»Wirklich? Lavelle existiert. Wir haben jetzt ein Foto von ihm.«
»Dann existiert er also? Das bedeutet noch nicht, daß Voodoo funktioniert!«
»Das weiß ich selbst.«
»Wie soll ich ins Büro kommen, wenn du da rausfährst?«
»Du kannst den Wagen nehmen. Ich lasse mich von einem Streifenpolizisten hinbringen.«
»Jack, verdammt noch mal.«
»Ich habe so ein Gefühl, Rebecca.«
»Zum Teufel damit.«
»Ich habe das Gefühl, daß... irgendwie... die Voodoo-Subkultur -vielleicht nichts wirklich Übernatürliches aber wenigstens die Subkultur selbst untrennbar mit dieser Sache zusammenhängt. Ich habe wirklich das Gefühl, daß man den Fall von dieser Seite angehen muß.«
4
Der Neuschnee ließ die Straße heller und freundlicher erscheinen. Die Gegend war immer noch schäbig, schmutzig, von Abfall übersät und völlig heruntergekommen, aber sie sah nicht halb so schlimm aus wie gestern, ohne Schnee.
Carver Hamptons Laden war gleich um die Ecke. Auf dem Schild über, der Tür stand nur ein einziges Wort: Rada. Gestern hatte Jack Hampton gefragt, was dieser Name bedeute, und er hatte erfahren, daß es drei große Liturgien oder geistliche Richtungen gab, die das Voodoo beherrschten. Zu zweien gehörten die bösen Gottheiten; sie hießen Congo und Petro. Das Pantheon der guten Götter hieß Rada. Da Hampton nur mit Substanzen, Gerätschaften und zeremoniellen Gewändern handelte, die zur Ausübung der weißen (guten) Magie benötigt wurden, brauchte er nicht mehr als dieses eine Wort über der Tür, um genau die Kundschaft anzulocken, nach der er suchte - jene Leute aus der Karibik und ihre Nachkommen, die, als sie nach New York City verschlagen worden waren, ihre Religion mitgebracht hatten.
Jack öffnete die Tür; eine Glocke verkündete sein Eintreten, und er ging hinein und ließ den eisigen Dezemberwind draußen.
Auf das Klingeln hin kam Carver Hampton durch einen grünen Perlenvorhang aus dem Hinterzimmer an der Rückseite des Ladens. Er schien überrascht. »Lieutenant Dawson! Wie nett, Sie wiederzusehen. Aber ich hatte nicht erwartet, daß Sie noch einmal hierherkommen würden, noch dazu bei diesem abscheulichen Wetter. Ich dachte, Sie würden nur anrufen und fragen, ob ich etwas für Sie herausgefunden habe.«
Jack ging durch den Laden, und sie schüttelten sich über die Verkaufstheke hinweg die Hände.
Carver Hampton war großgewachsen, mit breiten Schultern und einem riesigen Brustkorb, er hatte etwavierzig Pfund Übergewicht, wirkte aber sehr beeindrukkend. Auch wenn er nicht besonders gut aussah, wirkte er doch sehr freundlich, wie ein sanfter Riese, das Urbild eines schwarzen Santa Claus.
Er sagte: »Es tut mir so leid, daß Sie den ganzen Weg umsonst gemacht haben.«
»Dann haben Sie also seit gestern nichts herausgefunden?« fragte Jack.
»Nicht viel. Ich habe so herumgehorcht. Ich frage immer noch hier und da und stochere herum. Bisher habe ich nur erfahren, daß es tatsächlich jemanden gibt, der sich Baba Lavelle nennt und behauptet, er sei ein Bocor.«
»Bocor? Das ist ein Priester, der Hexerei betreibt -richtig?«
»Richtig. Schwarze Magie. Das ist alles, was ich weiß: daß es ihn wirklich gibt, worüber Sie sich gestern nicht so sicher waren; ich nehme also an, daß das wenigstens einen gewissen Wert für Sie hat. Aber wenn Sie angerufen hätten...«
»Tja, eigentlich bin ich gekommen, um Ihnen etwas zu zeigen, das nützlich sein könnte. Ein Foto von Baba Lavelle persönlich.«
»Wahrhaftig?«
»Ja.«
»Dann wissen Sie also schon, daß es ihn wirklich gibt.
Lassen Sie es mich aber doch sehen. Es könnte von Nutzen sein, wenn ich den Mann beschreiben kann, nach dem ich frage.«
Jack zog das Hochglanzfoto aus der Innentasche seines Mantels und reichte es hinüber.
Hamptons Gesicht veränderte sich augenblicklich, als er Lavelle sah. Wenn ein Schwarzer überhaupt blaß werden kann, dann wurde er das. Nicht so sehr der Farbton seiner Haut veränderte sich, aber sie wurde stumpf und verlor alle Lebendigkeit.
Er sagte: »Dieser Mann!«
»Was?« fragte Jack.
Das Foto zitterte, als Hampton es schnell zurückgab. Er stieß es Jack hin, als wolle er es schnellstens loswerden, als könne er sich irgendwie mit einer schlimmen Krankheit infizieren, wenn er das fotografische Abbild von Lavelle auch nur berührte. Seine
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