Wenn die Dunkelheit kommt
der Garage fuhren, blickte sie zurück. Daddy winkte ihnen zu. Dann erreichten sie die Straße, bogen nach rechts ab, und er war nic ht mehr zu sehen. Von diesem Augenblick an hatte Penny das Gefühl, als sei er schon so gut wie tot.
2
Ein paar Minuten nach Mitternacht parkte Jack in Harlem vor dem Rada. Er wußte, daß Hampton über dem Laden wohnte, und er dachte sich, daß es einen Privateingang zur Wohnung geben müsse, deshalb ging er um das Gebäude herum und fand an der Seite eine Tür mit einer Hausnummer.
Im oberen Stock brannte Licht. Jedes Fenster war hell erleuchtet.
Den Rücken den heftigen Windstößen zugewandt, drückte Jack auf den Knopf neben der Tür, gab sich aber nicht mit einem kurzen Klingeln zufrieden; er ließ den Daumen drauf und drückte so fest, daß es fast schmerzte. Wenn Hampton durch den Türspion sah, wer da wartete, und beschloß, nicht aufzumachen, dann wäre es ratsam für ihn, ein paar gute Ohrstöpsel parat zu haben. In fünf Minuten würde er von dem Geklingel Kopfschmerzen bekommen.
Zu Jacks Überraschung wurde die Tür nach weniger als einer halben Minute geöffnet, und da stand Carver Hampton und sah noch größer und eindrucksvoller aus, als Jack ihn in Erinnerung hatte; und er machte kein finsteres Gesicht, wie erwartet, sondern lächelte, war nicht wütend, sondern schien hocherfreut.
Ehe Jack den Mund aufmachen konnte, sagte Hampton: »Sie sind in Ordnung! Gott sei Dank. Kommen Sie herein. Sie wissen ja nicht, wie froh ich bin, Sie zu sehen. Kommen Sie, kommen Sie.« Hinter der Tür lag ein kleiner Vorraum, dann eine Treppe, Jack trat ein, und Hampton schloß die Tür, hörte aber nicht auf zu reden. »Mein Gott, Mann, ich habe mich fast zu Tode geängstigt. Sind Sie in Ordnung? Sie sehen so aus. Würden Sie mir, um Gottes willen, bitte sagen, daß Sie in Ordnung sind.?«
»Ich bin okay«, sagte Jack. »Aber es war knapp. Ich habe Sie soviel zu fragen, soviel zu...«
»Kommen Sie rauf«, sagte Hampton und ging voran. «Sie müssen mir alles erzählen, was geschehen ist, ganz genau, in allen Einzelheiten. Das ist eine ereignisreiche und bedeutungsvolle Nacht; ich weiß es; ich spüre es.«
Jack zog seine schneeverkrusteten Stiefel aus, folgte Hampton die schmale Treppe hinauf und sagte dabei: »Ich muß Sie warnen -ich bin gekommen, um Ihre Hilfe zu verlangen, und, bei Gott, Sie werden sie mir geben, so oder so.«
»Gerne«, sagte Hampton und überraschte ihn damit noch mehr. »Ich werde tun, was immer ich kann; alles.«
Als sie in das behaglich aussehende, gut möblierte und hell erleuchtete Wohnzimmer traten, sagte der große Mann: »Heute nacht gibt es in dieser Stadt zwei Arten von Dunkelheit, Lieutenant. Erstens die Dunkelheit, die nichts anderes ist als die Abwesenheit von Licht. Und dann die Dunkelheit, die die physische Gegenwart -ja, die Manifestation - des äußersten, satanischen Bösen darstellt. Diese zweite, bösartige Form von Dunkelheit nährt sich von der ersten, gewöhnlicheren Art und umgibt sich mit ihr, vermummt sich geschickt damit. Aber sie ist da draußen! Deshalb will ich nicht, daß in dieser Nacht Schatten an mich herankommen, wenn ich es vermeiden kann, denn niemand weiß, wann ein unschuldiger Schattenfleck mehr sein könnte, als es den Arischein hat.«
Vor diesen Ermittlungen hätte Jack, so >übermäßig aufgeschlossen< er auch immer gewesen war, Carver Hamptons Warnung nicht ernst genommen. Bestenfalls hätte er den Mann für exzentrisch gehalten, schlimmstenfalls für ein wenig verrückt. Jetzt bezweifelte er die Aufrichtigkeit oder Wahrheit seiner Feststellungen keinen Augenblick lang. Anders als Hampton befürchtete er nicht, daß die Schatten selbst ihn plötzlich anspringen und ihn mit körperlosen, aber doch irgendwie tödlichen Händen der Dunkelheit umklammern würden; aber nach allem, was er in dieser Nacht erlebt hatte, konnte er nicht einmal diese bizarre Möglichkeit ausschließen. Auf jeden Fall war auch ihm, wegen der Dinge, die sich in den Schatten verbergen konnten, helles Licht lieber.
»Sie sehen ganz durchgefroren aus«, sagte Hampton. »Geben Sie mir Ihren Mantel. Ich hänge ihn über die Heizung zum Trocknen. Ihre Handschuhe auch. Dann setzen Sie sich, und ich bringe Ihnen einen Brandy.«
»Für Brandy habe ich keine Zeit«, sagte Jack, ließ seinen Mantel zugeknöpft und seine Handschuhe an. »Ich muß Lavelle finden. Ich...«
»Um Lavelle zu finden und aufzuhalten«, sagte Hampton, »müssen Sie
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