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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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weiblich sei.
    Sie war die hinterhältigste Kuh, die wir je hatten. Mama versuchte, mir beizubringen, wie man sie melkte, damit sie und Papa das nicht jeden Morgen machen mussten, aber ich schaffte es nicht. Die Zitzen sahen weich und knetbar aus, als wären sie nicht härter als ein Sack voller Wasser. Aber man musste wissen, wie man an ihnen zog, um Milch herauszubekommen. Beim Erlernen schwollen die Handgelenke, und die Finger fühlten sich an, als ob man sie über Kiesel gezogen hätte.
    Ich rief Tess in der Hoffnung, dass sie mir antworten würde, ehe ich an Moses vorbeimusste. Die Kuh stand vor ihrem Stall und graste. Ich wünschte, Mama hätte sie im Stall gelassen. Sie begann ihren schwarz-weißen Kopf zu schütteln. Ich wollte mich umdrehen, aber mir wurde klar, dass sie dann auf mich zurennen würde, und Papa meinte immer, man müsse an ihr vorbeigehen und ihr nicht zeigen, wie sehr man sich fürchtete. Aber sie wusste es trotzdem.
    Ich stand stocksteif da, bis Tess hinter dem Stall hervorkam. Sie hatte ihr Lieblingskleid an – lavendelblau kariert, mit Taschen in Form von Hühnern und mit einer schwarzen Stickerei unten am Saum und um die Taschen. Unsere Tante Merily hatte es genäht.
    »Sie rennt gleich los«, flüsterte sie.
    »Psst.« Ich starrte gebannt auf Moses, die ihren Kopf schüttelte und mit den Augen rollte. Dann blickte sie zu Tess und schien sie genauso zu hassen wie mich. Tess wich zwei Schritte zurück.
    »Papa sagt, man darf nicht zeigen, wie viel Angst man hat. Dann frisst sie weiter«, meinte sie, klang aber nicht überzeugt. Trotzdem hob sie entschlossen ihr spitzes kleines Kinn.
    »Ich weiß.« Ich wich ebenfalls zurück, obwohl es mich wütend machte, dass mir dieses Wesen mit seinem merkwürdig schwingenden Euter und der zu großen Zunge solche Angst machte. Die Hühner, die Schweine und Pferd – sie alle wussten, was sich gehörte. Selbst der Rattenhund, den Papa im Stall hielt, wusste es. Aber die Kuh glaubte, sie könne uns einschüchtern und hätte uns in der Hand. Als hätte sie gewusst, dass wir ihre Milch brauchten und sie sich deshalb störrischer aufführen durfte, als es sich für ein Tier gehörte. Die Kuh war übermäßig eitel und stolz.
    Ich erwiderte ihren Blick und sah ihr direkt in die Augen. Beinahe tat ich einen Schritt auf sie zu, doch dann bewegte sie sich und ließ mich wieder zurückschrecken. Es war im Grunde nur ein Zucken. Ich schaute weg und Tess ebenfalls. Dann rannten wir beide den Weg bis zur Straße hoch, so dass unsere Kleider im Wind flatterten. Wie immer versuchte ich, meines nach unten zu halten.
    »Hast du gebrüllt?«, wollte ich wissen und strich meine Haare glatt.
    »Wegen einer Spinne.« Sie blickte zur Veranda und lachte, ehe sie wie ein Blitz darauf zuschoss.
    Papas Schwester Celia stand auf der Veranda und beugte sich gerade über das Geländer, um auszuspucken. Sie hatte Papas blaue Augen und dunkle lockige Haare, die sich kaum in einem Zopf zähmen ließen. Den Zopf hatte sie wie eine Schnecke im Nacken zusammengewickelt. Er war größer als eine Orange. Ihr Gesicht bestand nur aus Kanten, und sie war so groß wie Papa. Er lächelte jedes Mal, wenn sie zu uns zu Besuch kam.
    Ich kannte keine Frau, die so häufig ausspuckte wie Tante Celia. Sie spuckte ihren Kautabak weit in die Ferne, über das Verandageländer oder über die Rosenbüsche und manchmal sogar bis zur Straße. Sie fand es allerdings abstoßend, wenn Frauen Zigaretten rauchten.
    Tess rannte zu ihr und schlang ihre kleinen Arme um ihren Hals. »Hast du gehört, Tante Celia? Vom Baby im Brunnen?«
    Tante Celia machte es sich im Schaukelstuhl bequem, formte dann mit ihren Fingern ein V und spuckte durch das V – ha-ick puh – über das Geländer. Das O ihrer Lippen verweilte noch eine Sekunde zwischen ihren Fingern, und dann hatte sie wieder ihren normalen Mund.
    »Darum bin ich hier, Tessie Lou.«
    Tess’ zweiter Vorname war nicht Lou, aber Tante Celia nannte sie trotzdem gerne so.
    Während sie redete, schlang auch ich meine Arme um ihren Hals, wobei ich nicht so fest drückte, wie Tess das getan hatte. Dann lehnte ich mich an das Geländer, so dass der Schatten des Dachs auf mich fiel. Tess rückte ganz nahe an Tante Celia heran und berührte dabei fast den Ärmel ihres Kleides. Wenn Tess sich an Tante Celias Kleid wie ein großer lockenköpfiger Knopf annähen und immer und ewig bei ihr hätte bleiben können, hätte sie das bestimmt getan.
    Ich mochte Mamas

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