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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schultern oder den Rücken und ließ sie dort ruhen, so dass man ihr Gewicht spüren konnte. »Wenn er ein guter Geist ist, versteht er, dass er dich in Frieden lassen soll. Und wenn er’s nicht tut, schickst du ihn zu mir rüber.«
    Sie lächelte. »Ja, Sir.«
    Tante Celia sah Papa an. »Ist euer Wasser noch zu gebrauchen?«
    »Denk schon.« Papa zuckte mit den Achseln. »Der Junge war nur einen Tag lang da drin, und wegen dem Fluss gibt es immer frisches Wasser. Leta kocht es trotzdem seitdem ab, bevor sie’s benutzt.«
    Mama stieß die Fliegengittertür auf. In den Händen trug sie zwei Becher. Tante Celia trank auch tagsüber Kaffee, deshalb hatte Mama welchen aufgesetzt. Papa hatte wohl beschlossen, auch einen zu trinken, was ich nicht verstand. Schließlich schwitzte er bereits. Kinder bekamen nie Kaffee.
    »Albert findet’s überflüssig, das Wasser abzukochen«, sagte Mama und reichte den beiden ihre Becher. »Ich werd auch wieder damit aufhören. Aber es hat das Ganze erst mal sauberer gemacht.«
    Nachdem sie den Morgenkaffee gekocht hatte, steckte Mama immer ein kleines Stückchen Stoff in die Tülle der Kanne, damit keine Käfer hineinflogen. Ich konnte verstehen, dass sie ein totes Kind in unserem Wasser beunruhigend fand.
    »Ach, das geht sicher auch so. Komm, setz dich zu uns«, erwiderte Tante Celia und zeigte auf den anderen Schaukelstuhl.
    »Ich will die Seifenlauge nicht auf den Böden trocknen lassen«, sagte Mama. Ich sah, dass ihre Hände vom heißen Wasser und dem Schrubben rot waren. »Aber komm zu mir, bevor du gehst, Celia. Ich back gerade ein paar Pfirsichküchlein.« Sie betrachtete Tess, die noch immer auf Tante Celias Schoß saß. »Wenn du deine Tante platt gedrückt hast, kommt ihr Mädchen rein und helft mir mit den Böden.«
    »Ja, Ma’am«, antworteten wir im Chor. Mamas Rock raschelte, als sie wieder ins Haus zurückging.
    »Ich weiß nicht, ob er heiß genug ist«, sagte Papa und hielt den Kaffeebecher an sein Gesicht.
    Tante Celia streckte blitzschnell den Arm aus und steckte ihren Finger in seinen Kaffee. »Glaub schon«, erwiderte sie, ohne den Finger wieder herauszuziehen.
    Papa grinste so breit, dass wir die Lücke sehen konnten, an deren Stelle früher einmal ein Backenzahn gewesen war.
    »Hast du gehört, dass Präsident Hoover die Kontrolle über das Kraftwerk in Muscle Shoals abgegeben hat?«, fragte sie. Papa redete mit Mama nie über Politik, weil sie behauptete, keiner der Politiker wäre auch nur einen Pfifferling wert. Aber mit Tante Celia sprach er oft über den Präsidenten und den Gouverneur und darüber, dass die Leute ihre Arbeit verloren. Ich weiß nicht, ob Tante Celia Politik mochte, aber sie diskutierte gern.
    »Willst du schon wieder damit anfangen?«, fragte Papa, nachdem er an seinem Kaffee genippt hatte. »Wenn es dem Bund gehören würde, bekämen wir alle Arbeit und Strom. Das wär doch nicht schlecht.«
    »Bolschewik.«
    »Celia …«, meinte Papa warnend und warf einen Blick auf uns.
    »Ach, die hören doch in der Schule viel schlimmere Dinge. Und außerdem bist du ein verdammter Bolschewik.«
    »Ich glaub, du hast keine Ahnung, was ein Bolschewik ist«, entgegnete Papa, ohne diesmal auf ihre Ausdrucksweise zu achten. »Es ist doch so: Präsident Hoover will nicht, dass sich die Regierung einmischt. Er meint, die Leute sollten sich einen Ruck geben und freiwillig mithelfen.«
    »Und was ist daran falsch, Albert? Du scheinst ein schlechtes Gedächtnis zu haben. Nur weil alle mit angepackt haben, haben wir den Krieg überstanden.«
    Papa ließ seine Schultern vor- und zurückkreisen und drehte den Kopf von links nach rechts und wieder zurück, ehe er antwortete. »Du weißt, dass das nicht stimmt, Celia. Du bist klug, du kennst den Unterschied. Auf jeden Mann mit einer Arbeit hier … was sag ich, von hier bis Birmingham … kommen zwei, die keine haben. Man müsste sich eher um sie kümmern, als von ihnen zu verlangen, dass sie sich um was kümmern. Sieh dich doch um …« Er brach ab. Ich wusste, dass er kurz davor stand, sich aufzuregen. Die Ader über seinem Ohr trat hervor. Aber er wartete eine Weile und lächelte dann.
    »Ich hab gehört, dass der Gouverneur von New York nächstes Jahr vielleicht gegen ihn antreten will.«
    »New York!« Ha-ick puh.
    Tess war inzwischen zu Tante Celias Füßen hinuntergerutscht und betrachtete ihren Mund aus schmalen Augen und mit gerümpfter Nase. »Tante Celia, küsst dich ein Mann, wenn du nach Schnupftabak

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