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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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wert, als dass ich zwei davon nicht vermissen würde. Aber ich machte mir keine Sorgen. Er würde sie mir zurückzahlen. Im Grunde wollte ich einfach nur mit ihm über die Frau mit dem Baby reden. Ich hatte zu meiner Überraschung bemerkt, dass ich wissen wollte, was er dazu zu sagen hatte. Noch seltsamer war, dass ich ihn gerne gefragt hätte, ob seine älteste Tochter bereits von Jungs nach Hause begleitet wurde. Ich wollte erfahren, wie er damit umging. Allerdings wollte ich ihn nicht beim Essen stören, und während der Arbeit redeten wir sowieso kaum. Das hätte viel zu sehr abgelenkt.
    Jonah gab einen überraschten Laut von sich, und ich blickte mit vollem Mund auf.
    »Bratapfel«, sagte er und hielt den Apfel hoch. Der Saft lief ihm über die Finger, und ich konnte den Apfel riechen. Danach schmeckten mir meine Fladen nicht mehr ganz so gut wie zuvor.
    Ich warf das letzte Stück – das mit den schwarzen Fingerabdrücken – zu der Grubenratte, die sich in der Nähe der Wand herumdrückte. Die Ratten kamen immer, wenn es Mittagessen gab. Einmal beobachtete ich eine dabei, wie sie am Rand einer Lore mitfuhr. Sie lehnte mit dem Rücken an einem Haufen Kohle und sah uns im Vorbeifahren an, als wären wir die Landschaft, die an ihrem Zugfenster vorbeizog. Praktische Tiere, auch wenn sie schmutzig waren. Aber dafür konnten sie nichts. Sie zahlten uns das kleine Mittagessen immer zurück. Wenn sie unruhig wurden, wussten wir, dass es Probleme geben würde. Die Ratten nahmen die Bewegungen und das Beben der Schächte viel früher wahr als wir. Wenn sie losrannten, taten wir das auch. Und als Belohnung bekamen sie mit jedem schwarzfleckigen Bissen ein volles Mittagessen.
    Ich hielt nicht viel von Aberglauben, aber es gab auch keinen Grund, sich über Volksweisheiten lustig zu machen. Es hielt einen am Leben: Achte auf die Ratten. Geh in keine Grube, in der eine Frau gewesen ist. Pass auf deine Lampe auf. Eine Lampe ging aus, wenn man in eine Totluftzone geriet. Dann kroch man am besten so schnell wie möglich tief am Boden aus der Kammer, wenn man nicht genauso tot sein wollte.
     
    Tess
    Mama konnte Butter und Zucker mit den Süßkartoffeln auf eine Weise zusammenmischen, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief. Die Kartoffeln dampften noch, und die süße Butter lief auf den Teller und bildete einen kleinen See um die Kartoffeln.
    »Die sind so lecker, Mama«, sagte ich. »So lecker.«
    Alle nickten und machten Mmh . »Kann ich mehr haben?«, wollte Jack wissen.
    Mama stand auf und holte noch eine Kartoffel aus dem Ofen. Süße Kartoffeln waren nicht schwer zu bekommen.
    »Die könnt ich jeden Tag essen«, sagte ich. Das wollte ich nur klarstellen.
    »Die sind genauso gut wie ein Kuchen«, meinte Virgie, woraufhin Mama den Blick senkte, wie sie das immer tat, wenn wir ihr zu viele Komplimente machten.
    »Das stimmt«, sagte Papa. »Ich musste übrigens an Bratäpfel denken, Leta-ree. Glaubst du, wir könnten mal wieder welche bekommen?«
    Wir wussten alle, dass es am nächsten Tag Äpfel geben würde.

7 Geschichten
    Jack
    Pop verehrte John Lewis schon immer. Für die meisten Kumpel war er sowieso irgendwo zwischen Jesus und Roosevelt angesiedelt. Im Jahr 1933 kam der große Mann selbst nach Birmingham und versuchte, für die United Mine Workers Unterstützung zu gewinnen, nachdem Roosevelt ihnen ein zweites Leben geschenkt hatte.
     
    In nineteen hundred and thirty-three
    When Mr. Roosevelt took his seat,
    He said to President John L. Lewis,
    In union we must be.
    Hooray! Hooray!
    For the union we must stan’
    It’s the only organization
    Protects the laborin’ man.
     
    Dieses Lied sangen sie im gleichen Jahr ein wenig später immer wieder, nachdem der Acht-Stunden-Tag und die Fünf-Tage-Woche Gesetz geworden und Lebensmittelgutscheine als Bezahlung verboten worden waren.
    Pop fuhr an jenem Tag nach Birmingham, um Mr. Lewis zu sehen. Ich sollte eigentlich mitkommen, um zu spüren, welche Macht Lewis und seine Ideen hatten, aber ich war an der Grippe oder etwas Ähnlichem erkrankt und schaffte es nur mit zitternden Knien aus dem Bett.
    Pop war den ganzen Tag fort. Als die Sonne hinter den Bäumen unterging, war ich wieder gesund genug, um ungeduldig zu werden. Ich fragte mich, was ich wohl versäumt hatte, lag im Bett und lauschte auf seinen Wagen. Endlich, als Mama gerade die Lichter anmachte, konnte ich hören, wie er die Straße hinauffuhr. Er kam sofort zu mir ans Bett – wahrscheinlich gab er Mama

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