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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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einigen Jahren in eine der hinteren Kammern zurückgezogen, weil er schnell ein paar Züge paffen wollte. Sonst war niemand zu sehen. Er zündet das Streichholz an – jedenfalls nimmt man das an –, und das Feuer entzündet das Grubengas in der Luft und haut ihn aus seinen Stiefeln. Man konnte ihn kaum mehr erkennen. Die Kammer neben der seinen fing Feuer, wodurch zwei weitere Kumpel verbrannten. Nichts als Asche. Drei Familien ohne Mann. Kennst du die Geschichte?«
    »Kann mich nicht erinnern.«
    »Ich wollte nur sichergehen, dass du die Regeln verstehst, B.«
    »Ja, Sir.«
    »Die nehm ich an mich«, sagte ich und hielt die Schachtel mit Zündhölzern hoch. »Diesmal belass ich’s dabei. Aber wenn ich jemals wieder so was hör, fliegst du auf der Stelle raus. Dann bleibt dir nicht mal Zeit, deine Sachen zu holen. Kapiert?«
    »Ja, Sir.« Er bemühte sich, so eifrig wie möglich zu nicken. »Ehrlich, war nur ein dummer Zufall.«
    Ich ließ die beiden in ihrer Kammer zurück. Red sagte kein Wort, solange ich in Hörweite war. Ich ging zum Büro des Schichtmeisters, das neben dem Förderkorb lag. Im Grunde bestand das Büro nur aus einem Stuhl und einem Tisch. Neben der Tür hing ein Brett, an dem wir unsere Metallplättchen befestigten, wenn wir unter Tage fuhren. Ich klopfte, um die Aufmerksamkeit des Schichtmeisters zu erregen, und er winkte mich zu sich.
    »Die hab ich gefunden«, sagte ich und warf die Zündhölzer auf den Tisch. Er zog eine seiner gewaltigen Augenbrauen nach oben, so dass sich seine Stirn runzelte.
    »Von wem stammen die?«, wollte er wissen.
    »Hab sie nur gefunden. Ich wollte nicht, dass jemand anderer sie nimmt.«
    Er ließ es damit auf sich bewenden. In einigen der kleineren Gruben war ich selbst bereits ein paar Mal Schichtmeister gewesen. Ich hatte im Grunde schon alles gemacht außer Sprengungen. Als Junge hatte ich damit angefangen, auf der Kippstelle die Kohle vom Schiefer zu trennen. Als ich für immer die Mittelschule verließ, kannte ich mich genauestens mit den Gruben-Maultieren aus – arme blinde Kreaturen, die annehmen mussten, dass sie in der Hölle geboren und aufgewachsen waren. Als die elektrischen Loren zum Einsatz kamen, benutzten wir sie nicht mehr, denn jetzt wurden die Kohlewagen mit Ketten nach oben gezogen. Ich hatte die Schrämmaschine bedient, was gutes Geld bedeutet hatte, aber es war nicht so leicht an die Maschine heranzukommen. Bei Moss & McCormick war ich ziemlich lange für die Kippstelle während der Nebenschicht verantwortlich gewesen. Galloways Kippstelle lag an der Oberfläche, aber wir hatten auch eine neue Sohlrampe an der Frisco-Line, direkt an der Achtundsiebziger, die wir erst 1929 bekamen. Die imposant aussehenden Holz- und Betonkonstruktionen beherbergten mehr Sohlrampen und Förderbänder, als ich jemals zuvor gesehen hatte.
    Während meiner Mittagspause sah ich in Jonahs Kammer vorbei und bemerkte, dass er noch am Essen war. Ich nickte ihm zu und kam näher. Ehe ich mich setzte, nahm ich einen Schluck Wasser.
    »Nicht schlecht heute«, meinte Jonah.
    »Geht schon.«
    Der Trick bestand darin, seinen Fladen nur an einer Stelle anzufassen. Ich hatte einmal beobachtet, wie ein Mann mehrere Schlucke Wasser verschwendete, weil er versuchte, seine Hände zu waschen. Das war für die Kumpel natürlich ein gefundenes Fressen gewesen. Von da an hätte er genauso gut ein Kleid tragen können. Ich packte meine Fladen aus und entdeckte große Stücke Zwiebel und zwei hartgekochte Eier. Mit dem Daumen und dem Zeigefinger schob ich ein Zwiebelstück zwischen den Fladen (Leta hatte ihn bereits aufgeschnitten) und nahm ihn dann in die Hand. Er war mit drei Bissen verschwunden, ehe ich mich dem nächsten zuwandte.
    Jonah und ich hockten einige Fuß voneinander entfernt auf unseren Ballen. Es war nicht gut, zu lange Pause zu machen, denn das Sitzen machte es nur noch schwerer, wieder aufzustehen.
    »Schinken wär gut«, meinte Jonah, dessen Blick von seinem Fladen zu dem meinen wanderte. Ich nickte und lächelte schief. Bei einigen der Kumpel war es keine gute Idee, darauf hinzuweisen, wer Fleisch hatte und wer nicht. Aber wir kannten die Mittagsration des anderen beinahe genauso gut wie unsere eigenen.
    »Hab nicht vergessen, dass ich’s Ihnen zurückzahlen will«, fügte er hinzu. »Das kommt gleich als Erstes an die Reihe, wenn ich den Lohn krieg.«
    »Ich hab gar nicht mehr dran gedacht«, erwiderte ich. Natürlich stimmte das nicht. Ein Dollar war zu viel

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