Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
einfach nur als Gruppe hingegangen. Ella und Lois haben zuerst mit ihm geredet, nicht ich.«
    Ich wusste das alles bereits. Deshalb hatte ich ihr auch meine Erlaubnis gegeben. Doch jetzt bereute ich es.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Aber ich will trotzdem nicht, dass du das wieder machst.«
    »Aber du hast doch gesagt …«
    »Ich weiß, was ich gesagt hab. Jetzt sag ich eben was anderes.«
    »Wir haben doch nur …«
    »Hör auf zu widersprechen«, unterbrach ich sie.
    »Das will ich gar nicht, Papa, aber …«
    »Hör mir gut zu!«, brüllte ich und schlug mit der flachen Hand so heftig gegen die Mauer, dass die Bodenbretter erbebten. Virgie zuckte zusammen, und ich konnte Leta hören, die im Schlafzimmer meinen Namen rief. Ich spürte, wie es mit mir durchging und sich ein See schlechter Laune um meine Füße bildete. Bisher hatte ich Virgie noch nie angebrüllt, ich hatte ihr noch nicht einmal eine Ohrfeige gegeben. Es war noch nicht nötig gewesen.
    »Ich will nichts weiter hören! Ich weiß, was diese Jungs vorhaben, Virgie«, sagte ich. Mein Gesicht war rot angelaufen, aber es war zu dunkel, als dass sie es hätte sehen können. Eigentlich war es an Leta und nicht an mir, über dieses Thema zu sprechen. Aber ich wollte ihr zumindest klar zu verstehen geben, was ich von dem Ganzen hielt. »Keiner von denen ist gut genug für dich.«
    »Ich will auch keinen, Papa«, erwiderte sie. Erst jetzt fiel mir auf, dass auch ihre Wangen gerötet waren. Wir beide mussten ein hübsches Bild abgeben. »Ich mag weder Tom noch einen der anderen. Ich bin einfach nur gern mit meinen Freundinnen zusammen. Und die treffen sich mit Jungs. Um also etwas mit ihnen zu unternehmen, wär es nett, wenn ich auch einen Begleiter hätte.«
    »Ich will aber nicht, dass du dich in deinem Alter mit irgendeinem Burschen abgibst.«
    Sie wirkte verängstigt, als würde sie sich vor mir fürchten. Trotzdem antwortete sie mit ruhiger Stimme. »Das werd ich auch nicht. Ich versprech’s. Wir hatten doch nur ein bisschen Spaß, Papa. Alle zusammen.«
    Als ich mich einige Minuten später ins Bett legte, wandte sich Leta zu mir. Ihre Haare fielen auf meinen Arm. Sie fühlten sich kühl und glatt an. Ich wusste, dass sie mein Gebrüll und der Schlag gegen die Wand aufgeweckt haben mussten, doch sie verlor kein Wort darüber. »Mach dir keine Sorgen«, sagte sie stattdessen. »In diesem jungen Körper wohnt eine alte Seele. Sie wird nichts Törichtes machen.«
    Ich seufzte und winkelte mein Bein an, so dass es das ihre berührte. Lange Zeit konnte ich keinen Schlaf finden, da ich viel zu aufgewühlt war.
    »Außerdem gefällt ihr sowieso keiner«, flüsterte sie mir zu. »Sie ist das heikelste Mädchen, das mir jemals untergekommen ist.«
    »Ich will nicht, dass sie mit diesen Burschen ausgeht. Sie ist zu jung dafür.«
    »Gut«, erwiderte Leta. »Einverstanden.«
    Ich dachte schon, dass sie wieder eingenickt war, als sie noch einmal sprach. Ihre Stimme klang schläfrig und nachdenklich.
    »Ob sie wohl einen schönen Abend hatte?«, murmelte sie.
    Ich hatte Virgie gar nicht gefragt.
     
    Virgie
    Ich rief zweimal Tante Merilyns Namen, ehe ich die Hintertür öffnete und dabei mit dem Ellbogen das Fliegengitter aufhielt. Dann sah ich mich in der leeren Küche um und rief noch einmal nach ihr, bevor ich ganz eintrat.
    »Bist du da, Tante Merilyn? Ich bin’s – Virgie!«
    Keine Antwort. Das Butterfass stand in der Mitte der Küche, daneben ein Stuhl. Ich konnte die Sahne riechen. Tante Merilyns Geschirr mit den blauen Blumen war in der Spüle gestapelt und voller Ei. Im Schlafzimmer sah ich die ungemachten Betten, was mir etwas peinlich war, da die herabhängenden Leintücher irgendwie persönlich wirkten. Tante Merilyn legte nicht viel Wert auf einen ordentlichen Haushalt. Sie putzte, wenn sie Zeit dazu hatte, aber noch lieber hörte sie damit auf, um zu plaudern, ein Glas Tee zu trinken oder zum Postamt zu gehen. Dort tauchte sie jeden Tag auf und blieb beinahe eine Stunde. Mama meinte, wenn sich die Frauen nicht immer auf dem Postamt träfen, würde Tante Merilyn vermutlich zum Schnattern unten an den Fluss gehen. Mama hingegen folgte bei ihrer Arbeit stets einem strengen Ablauf. Alles wurde sofort erledigt oder weggeräumt, sobald es seinen Zweck erfüllt hatte. Der Abwasch wurde erledigt, kaum dass wir fertig gegessen hatten. Die Betten wurden gemacht, sobald wir aufgestanden waren, und niemand durfte sich noch einmal daraufsetzen, wenn sie einmal

Weitere Kostenlose Bücher