Wenn die Nacht dich kuesst...
anschickte.
»Wenn Duvalier irgendwie mit darin hängt«, erklärte er, »dann werde ich beides tun müssen.«
Er wandte sich zur Tür, aber sie packte ihn am Arm, ehe er gehen konnte. »Und wenn es nicht Duvalier ist? Was willst du dann tun?«
Er entzog ihr seinen Arm und erwiderte ihren Blick entschlossen. »Meine Arbeit.«
Erst als er den Turm schon halb durchquert hatte, merkte er, dass sie ihm folgte. Er wirbelte zu ihr herum. »Wohin, um Himmels willen, willst du gehen?«
»Ich komme mit dir.«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Ganz bestimmt doch. Sie ist meine Schwester.«
»Und er ist mein Bruder!«
Sie starrten sich an, das Echo seiner wütend gebrüllten Erwiderung hing bleischwer zwischen ihnen. Schließlich reckte Caroline ihr Kinn und sagte: »Du kannst mir nicht sagen, was ich zu tun habe. Du bist nicht mein Ehemann.«
Adrians Augen weiteten sich ungläubig. »Und wenn ich dein Ehemann bin, dann soll ich glauben, dass du jedem meiner Befehle gehorchst?«
Caroline öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder.
Er schnaubte. »Das dachte ich mir schon.«
Dann fuhr er sich mit den Fingern durch das Haar, fasste sie an der Hand und zog sie mit sich zu der Truhe. Leise Verwünschungen vor sich hin murmelnd, holte er einen weiteren, etwas kürzeren Umhang heraus und legte ihn ihr um die Schultern. Sie stand geduldig still, während er immer mehr Waffen in jeder der zahllosen Taschen verstaute.
Nachdem er sie mit zwei Flaschen Weihwasser ausgestattet hatte, sagte er: »Du musst immer daran denken, es sind nicht die geweihten Gegenstände selbst, die die Vampire fürchten, sondern dein Glaube daran. Der Glaube ist der eine Feind, den sie nie ganz besiegen können.«
Während Caroline gehorsam nickte, drehte er sich um und ging zurück zur Tür. Erst als sie den ersten scheppernden Schritt machte, um ihm zu folgen, merkte er, dass sie so mit Waffen beladen war, dass sie kaum gehen konnte.
Seufzend kam er zu ihr zurück und begann, sie von den schwersten zu befreien. Er wich ihrem Blick aus, als er schließlich mit belegter Stimme sagte: »Als ich Eloisa an jenem Tag in der Spielhölle fand, versuchte ich, sie zu küssen. Vermutlich dachte ich, ich könnte sie mit meinem Körper wärmen, dass ich ihr irgendwie wieder Leben einhauchen könnte. Aber ihre Lippen waren kalt, blau und unnachgiebig.« Nicht länger fähig, der Versuchung zu widerstehen, berührte er Carolines Lippen mit einer Fingerspitze und fuhr die seidigen Umrisse nach. »Wenn so etwas deinem wunderschönen Mund passieren sollte ...«
Sie nahm seine Hand in ihre und drückte sie an ihre Wange. »Ich trage vielleicht ihr Kleid, Adrian, aber ich bin nicht Eloisa. Wenn du gewusst hättest, dass sie in Gefahr schwebt, ehe es zu spät war, hättest du sie gerettet. So wie du meine Schwester retten wirst. Und deinen Bruder.« Sie schaute ihn an, die Lippen zu einem zittrigen Lächeln verzogen. »Ich glaube das mit meinem ganzen Herzen, weil ich an dich glaube.«
Als Duvaliers Schatten über ihn fiel, sprang Julian ihn mit gefletschten Zähnen an.
»Ach, das ist schon besser!«, sagte Duvalier und lächelte boshaft. »Es ist mir lieber, du knurrst mich an wie ein tollwütiger Hund, als dass du wie ein getretener Welpe in der Ecke kauerst.«
Julian biss die Zähne zusammen, weil sie erneut zu klappern begannen, und stieß hervor: »Der einzig Tollwütige hier bist du, Victor.«
Duvalier schob die Kapuze seines Umhanges zurück, sodass sein glänzend schwarzes Haar zu sehen war. Er zuckte nonchalant die Achseln und erwiderte: »Mir scheint, das kommt wie so vieles andere auf die Perspektive des Betrachters an.« Sein französischer Akzent war in den Jahren, die er außerhalb Englands verbracht hatte, wieder deutlicher geworden, sodass die Konsonanten zu einem heiseren Schnurren verschwammen. »Manche sehen es vielleicht sogar als Geschenk an, so wie die Unsterblichkeit.«
»Ich sehe beides als Fluch«, spie Julian aus.
»Das ist der Grund, weswegen ich auch so viel stärker bin als du. So viel mächtiger. Ich habe die vergangenen fünf Jahre lang das bereitwillig angenommen, was ich bin, während du in derselben Zeit davor weggelaufen bist.«
»Von meinem Standpunkt aus warst du es, der weggelaufen ist.«
Duvaliers Lächeln erreichte seine Augen nicht ganz. »Das ist wohl allein meine Schuld. Es scheint, ich habe die Hartnäckigkeit deines Bruders unterschätzt. Ich dachte, er wäre gezwungen, dich umzubringen, was im Gegenzug ihn
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