Wenn die Nacht dich kuesst...
heisere Unterton seiner Stimme stiftete heillose Verwirrung in ihrem Körper und ihrem Herzen. »Für dich, Liebste? Aber immer.«
Die Handschelle entglitt ihrer Hand und stieß mit einem leisen Klirren gegen die Steine. Während sie die finstere Kammer betrachtete, musste Caroline plötzlich auflachen.
»Was ist?«, fragte Adrian mit besorgter Miene.
»Ich musste nur gerade daran denken, wie Portia das alles gefallen würde. Ein Mensch verschwindet unter geheimnisvollen Umständen. Geheimgänge. Ein echter Kerker. Es ist fast wie aus einer von Dr. Polidoris albernen Geschichten.« Ohne Vorwarnung brannten Tränen in ihren Augen.
Adrian kam zu ihr und zog sie fest an sich. »Ich werde sie finden«, schwor er und drückte einen Kuss auf ihr Haar. »Ich schwöre es bei meinem Leben.«
Caroline wischte ihre Tränen fort, legte den Kopf in den Nacken und schenkte ihm ein zittriges Lächeln. »Wir werden dafür sorgen, dass diese Geschichte gut ausgeht, nicht wahr?«
Da Adrian so nett war zu nicken, tat sie so, als hätte sie den Schatten eines Zweifels in seinen Augen nicht gesehen. Er drehte sich um und hielt die Fackel hoch. Zum ersten Mal bemerkte Caroline die Holztür hinten in der Ecke, deren einziges Fenster zur Außenwelt ein Holzgitter war.
Obwohl sie halb damit rechnete, dass Adrian auch diese Tür eintreten würde, stieß er sie einfach nur auf. Caroline holte tief Atem, einmal mehr bass erstaunt.
Statt einer rattenverseuchten Zelle öffnete sich die Tür zu einem geräumigen Zimmer, das sich überall in der Burg hätte befinden können.
Die Kaschmirdecke, die über der Lehne der Chaiselongue lag, die mit chinesischen Seidenteppichen verhängten Wände und das halb beendete Schachspiel aus Marmor auf dem Chippendale-Tischchen zeugten davon, dass der Raum von jemandem bewohnt wurde, der auf Komfort großen Wert legte. Es hätte das opulente Schlafzimmer eines indischen Radschas sein können, wäre eine Sache nicht gewesen.
Auf dem Podest in der Mitte des Zimmers stand kein Bett, sondern nur ein Holzsarg.
Caroline schluckte, der Anblick erfüllte sie mit Unbehagen. Sie warf Adrian verstohlen einen Blick zu und sah, dass der Ausdruck seiner Augen unergründlich war und er die Zähne zusammengebissen hatte. Weil sie erkannte, wie schwer dies alles für ihn sein musste, hakte sie sich bei ihm unter.
Er schaute auf sie herab. »Ich sollte dich warnen. Mein Bruder wird nicht glücklich darüber sein, dass ich ihn störe. Selbst als Junge schon war er immer unleidig, wenn er geweckt wurde.«
Sie trat dichter zu ihm. »Wenn er unbedingt schmollen will, läuten wir einfach nach Wilbury, dass er ihm Kekse und ein Glas warme Milch bringt.«
Sein Widerwillen wurde immer offensichtlicher, trotzdem trat Adrian zum Sarg. Caroline ging mit ihm, ihrem beklemmenden Gefühl zum Trotz.
Sie hielt den Atem an, als Adrian die Hand ausstreckte und den schweren Deckel anhob. Als das flackernde Licht der Fackel hineinfiel, begriff sie, dass es Schrecklicheres gab, als einen Vampir in seinem Sarg schlafen zu sehen.
Denn der Sarg war leer. Julian war ebenfalls verschwunden.
Julian lag zusammengerollt auf dem kalten Steinboden, sein Körper würde von quälenden Krämpfen geschüttelt. Es waren mehr als fünfzehn Stunden vergangen, seit er Nahrung zu sich genommen hatte. Der Hunger verschlang ihn von innen, Durst sog jeden Tropfen Flüssigkeit aus seinen Adern, bis sie so ausgetrocknet waren wie die endlose Wüste unter der gnadenlos sengenden Hitze der Sonne. Obwohl seine Haut eiskalt war, brannte er im Fieber. Wenn diese Flammen ungehindert weiter an ihm fraßen, dann, das wusste er, würden sie die letzten Reste seiner Menschlichkeit verbrennen, bis nur noch ein tollwütiges Tier übrig blieb, das fürs eigene nackte Überleben sogar die Menschen verschlingen würde, die es liebte.
Mit einem Knurren, mehr Tier als Mensch, gab er den Ketten einen wilden Ruck, mit denen seine in Handschellen gefesselten Handgelenke an der Wand befestigt waren. Noch vor wenigen Stunden hätte er sie ohne sonderliche Anstrengung aus dem Mauerwerk reißen können. Aber das Kruzifix, das Duvalier in der langen Nacht um seinen Hals gelassen hatte, hatte das Schwinden seiner Kräfte beschleunigt. Obwohl er im Morgengrauen gekommen war und es entfernt hatte, war der Abdruck des Kreuzes noch in seine Brust gebrannt. Duvalier hatte in seiner grenzenlosen Schlechtigkeit ein Symbol der Hoffnung in eine Waffe verwandelt.
Ein neuer Krampf ließ ihn
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