Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
Vom Netzwerk:
hinging, sie musste ihn auf jeden Fall mitnehmen.
    Sie hatte schon so oft ein Fenster in einen anderen Traum geöffnet, dass sie gar nicht mehr darüber nachdenken musste, wie sie es anstellen sollte. Aber ganz so leicht, wie Tora behauptet hatte, war es natürlich trotzdem nicht. Oder besser: gerade deswegen. Denn für gewöhnlich stellte Nele sich das Ziel vor, das sie erreichen wollte, und das Fenster öffnete sich dann ganz von selbst. Sich nichts vorzustellen, rein gar nichts, und dieses Nichts dennoch einen Ort sein zu lassen, an den sie gehen konnte, schien Nele im ersten Moment fast unmöglich. Denn selbst ein Nichts musste doch eine Form haben, damit man es sich vor Augen halten konnte, ob es nun schwarz war oder grau oder weiß oder…
    Nele begann zu schwitzen. Sie konnte es nicht, dachte sie. Es ging nicht.
    »Der Weg ist das Ziel«, hörte sie Tora sagen. »Du musst loslassen, sonst funktioniert es nicht.«
    Der Weg war das Ziel… Am liebsten hätte Nele gelacht. Was für ein abgedroschener Spruch! Selbst ein Weg hatte doch eine Gestalt, konnte nicht einfach formlos sein, ohne Anfang und Ende, eine Straße ins Ungewisse…
    Und plötzlich erinnerte sie sich. An das Gefühl zu fallen, nicht zu wissen, wo oben oder unten war, ein Sturz ohne die leiseste Ahnung, wo sie landen würde. Ob sie jemals landen würde…
    Ein heißes Kribbeln schoss durch ihren ganzen Körper. Nele keuchte erschrocken und riss die Augen auf.
    Der Baum war verschwunden, und mit ihm das Wohnzimmer, die Ebene vor den Fenstern und das Sturmgeheul. An ihre Stelle war eine riesige Glashalle getreten, erhellt von sanft glimmendem Licht, das vom Fußboden heraufstrahlte.
    »Gut gemacht«, sagte eine samtige Stimme hinter Nele.
    Mit einem Ruck drehte sie sich um– und sah sich der Göttin der Katzen gegenüber.
    Fae saß auf ihrem Thron aus weichen Kissen und sah ihnen in scheinbar vollkommener Gelassenheit entgegen. Sie war so schön, dass Nele am liebsten die Augen geschlossen hätte. Aber sie konnte nicht. Der Blick der kristallklaren Iriden nahm sie mit einer hypnotischen Kraft gefangen, und Nele spürte mit jeder Faser ihres Körpers, dass sie es hier mit einem wirklich unglaublich mächtigen Wesen zu tun hatte. Und es war nicht nur das. Nein, sie erkannte sie wieder. Sie waren sich schon einmal begegnet! Die Katze auf dem Hof der Weberei. Die, die sie später in der Nähe jener Kreuzung wiedergetroffen hatte, als sie die Blütenblätter in die Traumwelt zurückschickte– Nele war sich ganz sicher. Das war Fae gewesen. Noch im Nachhinein lief ein Schauer über Neles Haut, als ihr klar wurde, wie nah sie der Katzengöttin schon gewesen war– und wie respektlos sie sich verhalten hatte.
    »Verbeugt euch!«, zischte Tora hinter ihr. Aber selbst das brachte Nele nicht mehr fertig.
    Jari neben ihr schien es nicht viel anders zu gehen. Er drückte Neles Hand so fest, dass er ihr fast die Finger brach.
    Ein Lächeln umspielte die Lippen der Göttin. »Schon gut, Tora. Sie sind meine Gäste. Kommt her.« Sie hob die Hand, um die drei heranzuwinken.
    Nur mit Mühe gelang es Nele, die Starre zu überwinden, in die ihr Körper unter Faes Blick gefallen war. Sie war nun sehr froh, Jari neben sich zu wissen. Auf unsicheren Beinen wankte sie auf den Thron zu. Das Licht, das von unten herauf aus dem Boden strahlte, ließ alle Schatten ungewohnt fallen, sodass Nele schon nach kurzer Zeit ein wenig schwindelig wurde. Sie war sehr froh, als sie sich schließlich neben Jari auf eine der Stufen vor dem Thron sinken lassen konnte. Tora bezog hinter ihnen Position.
    »Ich bin glücklich, dass ihr es geschafft habt«, sagte Fae ernst. »Und keine Sekunde zu früh.«
    »Also kannst du uns wirklich helfen?« Jaris Stimme klang bemerkenswert flach neben dem singenden Timbre der Göttin. Oder lag es an der schieren Größe der Halle, in der sich alle Klänge zwangsläufig verlieren mussten?
    Fae lachte leise, aber es klang traurig. »Nein«, sagte sie leise. »Das habt ihr falsch verstanden. All meine Hoffnungen ruhen darauf, dass ihr mir helfen könnt. Was mich betrifft, ich werde in dieser Angelegenheit alles tun, was in meiner Macht steht, um von Nutzen zu sein. Aber außerhalb der Träume bin ich nur eine Katze. Die eigentlichen Heldentaten werdet ihr vollbringen müssen.« Ihr Blick richtete sich auf Nele. »Besonders du.«
    Nele schluckte. »Ich?«, flüsterte sie.
    Fae nickte ernst. »Das war schließlich von Anfang an der Plan. Auch wenn er dank

Weitere Kostenlose Bücher