Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)
Seth, wie du inzwischen ja weißt, beinahe fehlgeschlagen wäre.« Ihr Mund verzog sich schmerzvoll. Und auch Nele spürte bei ihren Worten einen Stich in der Brust. Also stimmte es wirklich. Seth hatte sie verraten. Und nicht nur sie. Auch Fae hatte ihm vertraut.
»Aber kommen wir erst einmal zu dir.« Fae nickte Jari zu. »Dein Problem ist das weitaus einfacher zu lösende.«
Jari runzelte die Stirn. »Mein Problem?«
Fae lächelte schmal. »Nun ja. Meines ist es auch ein wenig. Es geht um deinen Körper. Du willst ihn zurück– und mir ist daran gelegen, dass derjenige, der ihn in Besitz hält, wieder in meinen Einflussbereich gebracht wird, ehe ein Unglück geschieht, das wir nicht mehr rückgängig machen können.« Ihre Augen wurden hart bei diesen Worten. »Darum werde ich dir helfen, im Streit um den Körper gegen ihn zu bestehen.«
Jari und Nele wechselten einen Blick. Keiner von ihnen fühlte sich bei dieser erneuten Erwähnung eines Streits wohl in seiner Haut. Dass es dazu kommen würde, hatte Tora ja schon angedeutet. Aber es aus Faes Mund zu hören, gab dem ganzen einen fatalistischen Strich, als wäre es ein Kampf auf Leben und Tod. Und in gewisser Weise, dachte Nele bedrückt, war es das wahrscheinlich auch. Seth war mit Sicherheit kein leichter Gegner. Und dass er einsehen würde, dass er Jaris Körper freigeben musste, darauf hatte Nele wenig Hoffnung.
»Wie wird dieser Kampf aussehen?«, fragte Jari schließlich. »Worauf muss ich mich einstellen?«
Fae verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. »Ihr begegnet euch auf der Grenze zwischen Wachen und Traum«, erklärte sie. »Nele wird für dich ein Fenster in deine Traumkammer öffnen, aber dort wirst du nicht ankommen. Zumindest nicht gleich. Denn Seth wird merken, dass du dich näherst. Und er weiß, dass er sofort aus deinem Körper gedrängt wird, wenn er dich über die Grenze lässt. Die Traumkammer selbst wird er aber auch nicht betreten wollen, weil er weiß, dass ich dann sofort zur Stelle sein werde. Und das ist der springende Punkt.« Sie neigte sich ein Stück nach vorn und starrte Jari eindringlich an. »Er kann deinen Körper und deine Gestalt nur deshalb für sich nutzen, weil ich ihn durch ein göttliches Licht dazu befähigt habe. Nur deshalb kann er sich auch außerhalb der Traumwelt aufhalten, ohne die Gestalt einer gewöhnlichen Katze anzunehmen. Du musst dieses Licht löschen, dann wird er zurück in das Refugium der Wächter gezwungen.« Ein Funke blitzte in ihren Augen auf. »Und dort werde ich auf ihn warten.«
Jari öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Aber Fae erhob sich bereits und schritt die Treppe hinunter auf sie zu. Und noch bevor Nele oder Jari auch nur begriffen, was geschah, hatte sie sich schon heruntergebeugt und ihren Mund auf Jaris gelegt. Jari zuckte zurück, aber Fae hielt ihn mit festem Griff am Nacken fest und zwang ihn, den Kuss zu erwidern. Jari keuchte und würgte. Es klang, als würde er ersticken. Entsetzt sprang Nele auf und wollte protestieren, sich auf Fae stürzen und sie von Jari wegzerren– da packte sie Tora, die sich die ganze Zeit über reglos und schweigend im Hintergrund gehalten hatte.
»Keinen Laut!«, zischte Tora. »Ihm passiert nichts. Sieh hin!«
Nele versteifte sich, bereit, sich doch gegen den Griff zu wehren. Doch da hatte Fae sich bereits von Jari gelöst. Nur ihre Hand lag noch eisern auf seinem Mund.
»Du musst es schlucken«, flüsterte sie. »Vertrau mir. Du wirst es brauchen.«
Jaris Gesicht war kreideweiß, und seine Augen traten hervor, als müsse er etwas wirklich Widerwärtiges im Mund halten. Aber am Ende tat er, was Fae sagte. Nele sah seinen Adamsapfel zucken. Noch einmal würgte er, schluckte wieder und verfiel dann in einen Hustenkrampf, der ihn sich auf den Stufen winden ließ.
»Ich weiß, es ist furchtbar.« Fae strich ihm sanft über das Haar. »Aber ohne meine Dunkelheit wirst du mein Licht nicht löschen.«
Zitternd und keuchend kam Jari allmählich zur Ruhe. Und auch Tora lockerte ihren eisernen Griff um Neles Oberkörper.
Fae warf ihr einen Blick zu, der beinahe weich wirkte, als wolle sie um Verzeihung bitten. »Ich hätte euch vorwarnen sollen. Es tut mir leid. Aber die Zeit drängt. Wir beide haben auch noch einiges vor.« Sie streckte Jari die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. Er wirkte nun wieder einigermaßen gefasst, obwohl er sich immer wieder über die Lippen leckte oder den Mund abwischte und der Ekel ihm ins Gesicht geschrieben stand.
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