Wenn Die Seele Verletzt Ist
Schmutz, bakteriellen Befall, Sauberkeit, Aggression und Kontrolle, zuweilen auch um religiöse oder sexuelle Themen. Zwangshandlungen und Zwangsgedanken treten häufig gemeinsam auf. Die Störung kann von Somatisierungsstörungen, Ängsten und Phobien begleitet sein, so daß ein Zusammenhang mit einer Traumatisierung nicht von der Hand zu weisen ist. Leider habe ich keine Studie gefunden, die ich zu diesem Thema zitieren könnte. So haben wir unsere eigenen Fälle ausgewertet und sind zu folgender Hypothese gekommen:
Zwänge entstehen dann, wenn ein Kind durch die Kombination von massiver Abwertung und totaler Kontrolle terrorisiert und damit traumatisiert wird. Die Kontrolle geht in diesen Fällen so weit, daß Mutter und/oder Vater lückenlos zu bestimmen versuchen, wie und was das Kind denken, fühlen und tun muß. Das beginnt bei der Ernährung. Einer unserer Klienten erzählte zum Beispiel, daß, wenn er Schokolade essen wollte, seine Mutter ihm suggerierte: „Du magst viel lieber Kuchen, und den gebe ich dir jetzt, weil ich dich so lieb habe.“ Die Eltern geben dem Kind zu verstehen, daß es immer falsch fühlt und offensichtlich nicht dazu in der Lage ist, seinen besten Interessen gemäß zu handeln. Außerdem sei es unfähig, Entscheidungen zu treffen. Deshalb sähen sie sich aus Liebe zu ihm genötigt, sein Leben zu regeln. Damit hindern sie das Kind daran, sich als eigenständige Persönlichkeit zu erfahren. Jeder Versuch des Kindes, sich gegen die Kontrolle aufzulehnen, wird hart bestraft. Einige meiner Klientinnen wurden verprügelt, andere zu Hause eingesperrt.
Trauma entsteht, wie wir wissen, in Situationen, in denen sich Menschen ausgeliefert fühlen. Diesen Kontrollverlust versuchen die Betroffenen durch vermehrte Kontrolle auszugleichen. Wenn jedoch das Trauma durch Kontrolle entstanden ist, ist das Hilfsmittel gleichzeitig auch der Trigger! Versucht sich der Betroffene also durch ein Kontrollritual zu schützen, wird er durch das Ritual sofort angetriggert und gerät in große Angst. Die versucht er durch Kontrolle zu bewältigen, was ihn wiederum antriggert und in Angst stürzt. Es entsteht ein Teufelskreis, die Kontrollrituale werden immer ausgeprägter, die Angst dadurch immer größer, so daß die Betroffenen kaum noch Zeit für ihr Alltagsleben haben. Suizidgedanken sind nicht selten. Dazu ein Fall aus unserer Praxis:
Eine 30jährige Frau litt unter dem Zwang, jedes Kleidungsstück, das sie außerhalb ihrer Wohnung getragen hatte, nach dem Abbürsten unverzüglich in die Waschmaschine stecken zu müssen. In der Wohnung kontrollierte sie jedes abgefallene Haar, indem sie den Boden mit Plastikfolie auslegte, welche sie nach einigen Tagen in den Müll warf. Fenster versetzten sie in panische Angst, weil sie sich von den Nachbarn kontrolliert fühlte. Am liebsten hielt sie sich im fensterlosen Badezimmer oder in Räumen mit heruntergelassenen Rolläden auf.
In ihrer Kindheit war die Frau von ihrer Mutter pausenlos kontrolliert und abgewertet worden. Die Mutter bestimmte, womit sich das Kind beschäftigte, was es anzog, wie es sprach und mit wem es spielte. Widersetzte sich das Mädchen, schlug die Mutter auch in der Öffentlichkeit zu, und zwar so hart, daß fremde Menschen eingriffen, um das Kind zu schützen. Noch heute kontrollierte die Mutter den Dienstplan und das Bankkonto ihrer erwachsenen Tochter. Sie hatte ihr die Wohnung ausgesucht, in der es nur große Fenster ohne Rolläden gab, so daß sich die Klientin dort überhaupt nicht wohl fühlte.
Die Tyrannei, die das Kind durch die Kontrolle der Mutter erlebt hatte, inszenierte sie in ihrem Erwachsenenleben durch ihre Zwänge. Sowohl der Mutter wie ihren Zwängen war sie hilflos ausgeliefert, erhielt sich aber eine Illusion von eigener Kontrolle, da sie mit Hilfe von Kleiderbürste, Waschmaschine und Plastikfolie einen Weg gefunden hatte, der Fusseln und Haare Herr zu werden. Die Kontrollrituale wiederum ängstigten sie so sehr, daß sie ernsthaft überlegte, sich umzubringen. Aus diesem Grund legte ich ihr eine Therapie in einer Klinik nahe.
Das Borderline-Syndrom
Die Diagnose „Borderline“ ist heute zu einer Art Modediagnose geworden. Jeder, der auch nur ein entfernt ähnliches Merkmal dieser Störung aufweist, wird mit dieser Diagnose belastet, die als nur schwer, wenn überhaupt therapierbar gilt.
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung wurde erst 1980 in das Diagnostische und statistische Manual Psychischer
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