Wenn Die Seele Verletzt Ist
Ursprungsfamilie.
Diese Lernschritte sind nicht immer einfach, doch sie lohnen sich. Beide gewinnen vor allem mehr Regie über sich selbst, was der Beziehung gut tut. Und wenn sich beide am Ende doch trennen sollten, kann diese Trennung in gegenseitigem Respekt geschehen. Erst dann ist ein wirklich neuer Anfang möglich.
Warum wiederholen sich traumatische Erlebnisse?
Viele traumatisierte Menschen neigen dazu, sich mit Menschen einzulassen oder sich in Situationen zu verwickeln, die dem ursprünglichen Trauma gleichen. Freud, dem dies aufgefallen war, meinte dazu, daß der Wiederholungszwang die Wirkung habe, „das Trauma wieder zur Geltung zu bringen, also das vergessene Erlebnis zu erinnern, oder noch besser, es real zu machen, eine Wiederholung davon von neuem zu erleben“ (Freud 1939). Er interpretierte dieses Verhalten als den Versuch, die traumatische Situation durch die ständige Wiederholung schrittweise zu bewältigen. Diese Lehrmeinung war lange gültig.
Klinische Studien bewiesen jedoch das Gegenteil: Je häufiger sich die traumatische Situation wiederholt, um so schlimmer und unlösbarer wird sie für die Betroffenen. Warum kommt es also zu den sinnlosen Wiederholungen? Der Selbstwert von mißbrauchten Kindern ist äußerst labil. Äußerlich gesehen können sie kompetent und sehr verantwortlich für andere handeln, doch innerlich verachten und hassen sie sich und behandeln sich selbst genauso wie ihre Peiniger (siehe „Virusprogramme der Seele“). Aus diesem Grund suchen sich erwachsen gewordene Traumaopfer häufig Partner aus, die diesem inneren Skript entsprechen. So verlieben sich traumatisierte Frauen häufig in Männer, die dazu neigen, ihre Frauen zu mißhandeln. Daß diese Männer in ihrer Kindheit ebenfalls traumatisiert wurden und ihr Trauma auf männliche Weise verarbeiten, indem sie zu Tätern werden, macht die Sache nicht leichter. So beschwören Traumaopfer unbewußt häufig genau die Situationen herauf, die sie unter allen Umständen vermeiden wollen.
Darüber hinaus neigen die Betroffenen dazu, das, was ihnen geschehen ist, unbewußt neu zu inszenieren (siehe „Inszenierung“). Sie verhalten sich so, daß sie von ihren Mitmenschen, die diese Inszenierung nicht als das, was sie eigentlich ist, verstehen können, ausgegrenzt und abgewertet werden. Die Reaktion von Traumaopfern auf Triggersituationen führt ebenfalls häufig zu sozialer Isolation. Auf Reize, die von anderen Menschen als harmlos eingestuft werden, reagieren die Betroffenen mit heftigen Gefühlen oder mit Dissoziation. Die ebenfalls heftige Zurückweisung durch die Umwelt wiederholt die traumatisierenden Situationen, ohne daß die Betroffenen verstehen, wieviel sie selbst zur Entstehung des Dilemmas beitragen. Nur in geduldiger therapeutischer Arbeit können diese Muster erkannt und aufgearbeitet und damit die Wiederholung der traumatischen Situationen vermieden werden.
Anderen gegenüber sind Traumaopfer übermäßig wachsam und oft wahre Meister in der Interpretation der Gefühle, Gedanken und der nonverbalen Hinweise ihrer Mitmenschen. Wirklich nutzen können sie dieses Wissen jedoch nicht, denn sie haben grundlegende Defizite, wenn es darum geht, Situationen wirklich realistisch einzuschätzen: Traumaopfer neigen dazu, kleine Anlässe überzubewerten und wirkliche Gefahren zu übersehen. Deshalb geraten die Betroffenen wesentlich leichter als Nicht-Traumatisierte in gefährliche Situationen.
Männer und Frauen wiederholen ihre Traumata unterschiedlich. Je schlimmer ein Junge gequält wurde, um so häufiger neigt er dazu, den erlittenen Kontrollverlust zu kompensieren, indem er an Schwächeren zum Täter wird. So gibt es bei Jungen einen signifikanten Zusammenhang zwischen eigenem Trauma und späterer Kriminalität, Gewalttätigkeit und Drogensucht. Aus der Praxis kennen wir unzählige solcher Fälle. Besonders eindrücklich war uns der Fall eines zuerst von den Nazis, dann von den Russen jahrelang in Konzentrationslagern gequälten Mannes, der, als er endlich wieder zu Hause war, als Held des Widerstands gefeiert wurde. Daß er seine Enkelin jahrelang sexuell mißbrauchte, wurde verheimlicht, und so wiederholte er an ihr als Täter sein eigenes Opferdasein.
Mädchen neigen eher dazu, immer wieder Opfer zu sein. So haben mißbrauchte Mädchen später ein viel höheres Risiko, Opfer von Gewalt zu werden. In einer Studie von Diane Russell (1986) zeigte sich, daß 68% der Frauen, die vergewaltigt
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