Wenn Die Wahrheit Stirbt
mir vorstellen.« Hazel lächelte. »Ich werde sie mal besuchen, okay? Irgendwann nächste Woche.« Sie musterte Gemma kritisch. »Und was ist mit dir? Du hast kein Wort
über die Hochzeitspläne gesagt, und inzwischen ist der Sommer fast um.«
»Oh.« Gemmas Denkvermögen schien für einen Augenblick wie eingefroren, und dann spürte sie, wie die Panik, die sie in letzter Zeit immer öfter überfiel, ihr die Brust zusammenschnürte. Sie atmete bewusst durch und rang sich ein Lächeln ab. »Damals schien es eine gute Idee zu sein.«
»Gemma! Sag bloß, du bekommst plötzlich kalte Füße!« Hazel sah so alarmiert aus, dass Gemma unwillkürlich auflachte, doch es schien, als ob ihr das Lachen im Halse steckenblieb.
»Nein. Jedenfalls nicht, was Duncan betrifft.« Schließlich war der Heiratsantrag von ihr gekommen. Sie und Duncan waren Kollegen gewesen, dann ein Paar, sie waren Freunde und seit einiger Zeit auch Eltern in ihrer kleinen Patchworkfamilie, und die Entscheidung, sich fester an ihn zu binden, hatte sie noch keine Sekunde bereut. Sie beeilte sich, eine Erklärung nachzuschieben. »Es ist nur dieses verdammte Theater um die Hochzeit. Das raubt mir noch den Verstand. Ich dachte, wir könnten einfach so heiraten - das war natürlich ziemlich dämlich von mir, ich weiß«, sagte sie, um der Bemerkung zuvorzukommen, die Hazels hochgezogenen Augenbrauen mit Sicherheit auf dem Fuß gefolgt wäre. »Aber alle wollen sie uns reinreden - obwohl ich sagen muss, dass Duncans Eltern sich ganz toll verhalten haben. Meine dagegen …« Sie verdrehte die Augen. »Und es sind nicht nur Dad und Cynthia, die ständig dies und jenes fordern, alles angeblich Mum zuliebe. Sogar die Jungs mischen sich ein. Sie wollen einen Empfang im Museum für Naturgeschichte. Kannst du dir das vorstellen?«
»Ja«, erwiderte Hazel lachend. »Aber ich dachte, du wolltest, dass Winnie euch traut?«
Winnie - das war Reverend Winifred Montfort, anglikanische Pfarrerin und verheiratet mit Duncans Cousin Jack. Beide standen Duncan und Gemma sehr nahe, aber sie lebten in Glastonbury,
und Winnie, die auf die vierzig zuging, erwartete ihr erstes Kind. »Ihr Arzt will nicht, dass sie reist, und Jack ist natürlich schon außer sich vor Sorge.« Jack Montforts erste Frau und ihr Baby waren bei der Geburt gestorben, und er hatte die Nachricht von Winnies Schwangerschaft mit gemischten Gefühlen aufgenommen. »Aber selbst wenn sie kommen könnte, kann sie uns ja schlecht in der Kirche einer anderen Pfarrei trauen.«
»Warum bittet ihr dann nicht den Pfarrer von St. John’s?« St. John’s war die anglikanische Kirche in der Nähe ihres Hauses in Notting Hill. »Das dürfte doch kein Problem sein.«
»Weil St. John’s Hochkirche ist. Meine Eltern stammen beide aus Dissenter-Familien, und in ihren Augen könnte St. John’s ebenso gut katholisch sein. Mein Vater sagt, es würde meine Mutter umbringen, was natürlich nicht stimmt, aber meine Mutter sagt, wir sollen ihm seinen Willen lassen -«
»Dann vielleicht an einem neutralen Ort -«
»Ist genauso kompliziert. Die Jungs wollen ein Wort mitreden, und wenn wir einen richtigen Empfang ausrichten, wird die Gästeliste der reinste Alptraum. Wir würden alle Leute einladen müssen, mit denen wir beide seit der Grundschule zu tun hatten.«
»Und eine standesamtliche Trauung -«
»Damit würden wir alle enttäuschen.« Gemma schüttelte den Kopf und blickte aus dem Fenster, um Hazel nicht in die Augen sehen zu müssen. »Ich weiß nicht. Ich habe das schon einmal gemacht - und heute kommt es mir so vor, als wäre die Hochzeit für Rob und mich der Anfang vom Ende gewesen. Das will ich nicht ein zweites Mal durchmachen müssen. Ich bin drauf und dran, die ganze Sache abzublasen.«
Das Haus hatte seine Seele verloren. Tim wusste es, und Holly spürte es, doch was er auch tat, er konnte den Verlust nicht wettmachen.
An den trübsten und dunkelsten Tagen des vergangenen Winters hatte er die Küche gestrichen. Er hatte zwar kein besonderes Talent fürs Streichen und Tapezieren, aber so hatte er wenigstens eine Beschäftigung, mit der er die scheinbar endlosen Abende und Wochenenden ausfüllen konnte, und am Ende war er sogar ziemlich stolz gewesen auf sein Werk.
Hazels zarte Grün- und Pfirsichtöne waren verschwunden. Die Schränke glänzten jetzt in strahlendem Weiß, die Wände in sattem Maisgelb. Ein Neuanfang, hatte er gedacht. Dann war Holly zu einem langerwarteten Besuch gekommen und bei
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