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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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spannte, doch das Ende seiner Krawatte lugte aus der Jackentasche hervor. Sein ergrautes Haar war kurz geschoren, was die ausgeprägten Tränensäcke unter seinen Augen noch betonte.
    »DI Weller?«, fragte Kincaid.
    »Erraten.« Weller trat ins Zimmer und hockte sich auf die Kante von Singhs Schreibtisch. Kincaid spürte, wie sich die Loyalitäten im Raum kaum merklich verschoben - wie das Team sich innerlich von ihm zurückzog. Niemand vom Revier Bethnal Green wollte sich dabei ertappen lassen, wie er sich vor den Augen seines Chefs bei dem Mann von Scotland Yard einschleimte.
    »Kevin und Terry Gilles sind beide keine großen Leuchten«, fuhr Weller fort. »Denen traue ich allenfalls zu, dass sie kleinen Kindern auf dem Schulhof das Taschengeld abpressen. Einer von den zweien - ich glaube, es war Kevin - ist ein paar Mal wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses einkassiert worden, und den Lappen hat er auch schon mal abgeben müssen. Offenbar hat er ein bisschen Probleme, wenn er einen über den Durst getrunken hat, aber das macht ihn noch lange nicht zu einem Drogenbaron.«
    »Übrigens, ich heiße Duncan Kincaid. Scotland Yard«, stellte
Kincaid sich vor, ohne auf Wellers spöttischen Ton einzugehen. Der DI gab sich zwar selbst alle Mühe, die Manieren eines Schulhofrüpels zu imitieren, aber wenn sie irgendetwas erreichen wollten, würden sie wohl oder übel miteinander auskommen müssen. »Und das ist Sergeant Cullen«, fügte er hinzu, worauf Cullen Weller argwöhnisch zunickte. Kincaid sah auf seine Uhr und blickte lächelnd in die Runde. »War ein langer Tag, Leute, und alle haben gute Arbeit geleistet. Ich würde sagen, wir vertagen die Veranstaltung bis morgen früh, einverstanden?« Dann wandte er sich wieder an Weller. »Inspector Weller, dürfen wir Sie zu einem Drink einladen?«
     
    Sie setzten sich an einen der wenigen Tische, die auf den paar Quadratmetern Gehsteig vor dem Pub in der Commercial Street Platz hatten. Kincaid hatte das Lokal ausgewählt, weil es nur einen Steinwurf von Naz Maliks Haus in der Fournier Street entfernt war und er später noch bei dem Team von der Kriminaltechnik vorbeischauen wollte. Weller wiederum hatte draußen sitzen wollen, um rauchen zu können.
    »Ich hatte eigentlich vor sechs Monaten aufgehört«, gestand Weller, nachdem Cullen zum Bierholen gegangen war. »Aber am Wochenende hat mein Sohn geheiratet, und dann dieser Fall …« Er zuckte mit den Achseln und zündete sich eine Benson & Hedges an. Mit zusammengekniffenen Augen sah er Kincaid durch den ausgestoßenen Rauch an und streckte die Hand aus. »Übrigens, ich heiße Neal. Tut mir leid, dass wir so einen schlechten Start hatten. War ein Scheißtag.«
    Cullen kehrte mit drei Pintgläsern beladen zurück und schaffte es sogar, sie abzusetzen, ohne allzu viel zu verschütten. Weller dankte ihm mit einem Nicken und hielt ihm ebenfalls die Hand hin. »Neal.«
    »Doug.«
    Nachdem die Vorstellungen erledigt waren, trank Weller einen
Schluck und wischte sich den Schaum von der Oberlippe. »Also, was ich sagen wollte - wir haben da so einen Dreckskerl geschnappt, und wir sind hundertprozentig sicher, dass er hinter einer ganzen Serie von Vergewaltigungen steckt, aber verknackt worden ist er trotzdem nicht. Die Geschworenen fanden, dass die Beweise nicht ausreichten, und der Richter konnte sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Auf der einen Seite ein achtzehnjähriger Bursche, der aussieht wie ein Chorknabe, und auf der anderen ich - na, wem haben die wohl geglaubt?«
    »Dumm gelaufen«, pflichtete Kincaid ihm bei.
    »Besonders für die nächste Frau, die er in einem dunklen Hauseingang überfallen wird.« Weller zerdrückte seine Zigarette mit übertriebener Heftigkeit, dann seufzte er. »Aber darum geht’s ja gar nicht. Sie wollten über Naz Malik sprechen.«
    »Vorher würde ich gerne noch über Sandra Gilles sprechen«, erwiderte Kincaid. »Was glauben Sie, was mit ihr passiert ist?«
    Weller zuckte mit den Achseln. »Welche Möglichkeiten gibt es denn? Nummer eins - die wahrscheinlichste: Ehekrach läuft aus dem Ruder, Ehemann versucht, die Beweise zu vernichten. Aber keine Stunde, nachdem Sandra das Kind in der Columbia Road abgegeben hatte, wurde Naz Malik von mehreren Zeugen gesehen, wie er in einem zum Restaurant umgewandelten Bus in der Brick Lane auf seine Familie wartete. Was kann er in dieser knappen Stunde mit ihr angestellt haben? Sein Büro ist ganz in der Nähe, aber wir haben da alles auf den Kopf

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