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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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natürlich gewesen, wenn dieses doch etwas schüchterne und unbeholfene Mädchen sich in ihren Arbeitgeber verguckt hätte, zumal, wenn sie Sandras Verschwinden in irgendeiner Weise romantisiert hatte.
    »Hat er irgendetwas von einem Fall gesagt, an dem er arbeitete?«, fragte Kincaid. »Er vertrat einen gewissen Mr. Azad, einen Restaurantbesitzer.«

    »Nein. Naz - Mr. Malik hat nie über seine Arbeit gesprochen. Na ja, jedenfalls nur sehr wenig, zum Beispiel, wenn ich eine Frage zu meinen juristischen Texten hatte, und dann auch nur ganz allgemein. Es hätte gegen seine ethischen Grundsätze verstoßen, über seine Mandanten zu sprechen.«
    Da schwang definitiv etwas von Heldenverehrung in Alias ein wenig steifer Erwiderung mit, dachte Gemma. Doch sie sagte nur: »Alia, hat Mr. Malik je einen Mann namens Ritchie erwähnt? Lucas Ritchie?«
    »Nein.« Alia runzelte die Stirn. »Wer ist das?«
    »Jemand, den Sandra vielleicht kannte. Hat Mr. Malik jemals mit Ihnen darüber gesprochen, was seiner Meinung nach mit Sandra passiert war?«
    »Nein. Nein - also, jedenfalls nur in der ersten Zeit. Er stellte die gleichen Fragen wie Sie jetzt. ›Hat sie irgendetwas gesagt?‹ oder ›War sie irgendwie anders?‹«
    »Wissen Sie, warum Naz und Sandra sich nicht mit Sandras Familie verstanden?«
    »Ich - Nein, nicht so richtig«, antwortete Alia, doch ihr verstohlener Blick in Richtung ihrer Eltern sprach eine deutliche Sprache. »Es ging mich nichts an«, fügte sie hinzu, was Gemma nur noch in der Überzeugung bestärkte, dass Alia jedes Detail von Naz’ und Sandras Leben begierig aufgesogen hatte.
    »Und es betrifft sie auch nicht mehr«, mischte sich Mr. Hakim ein, wobei er sich an Kincaid wandte. »Ich glaube, meine Tochter hat Ihnen nichts weiter zu sagen, und ich muss wieder an meine Arbeit.«
    »Mr. Hakim, wir können Ihre Tochter hier befragen, aber wir können uns auch auf dem Polizeirevier mit ihr unterhalten. Eine Ermittlung in einem Mordfall kann sich nicht nach Ihren persönlichen Wünschen richten. Und Alia ist volljährig - Ihre Anwesenheit ist nicht erforderlich.«
    »Aber ich weiß nicht, was ich Ihnen sonst noch erzählen
könnte«, sagte Alia mit einem nervösen Blick auf ihren Vater, und Gemma war sich sicher, dass sie unter diesen Umständen nichts mehr aus ihr herausbekommen würden.
    »Wir wissen es zu schätzen, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben, Alia.« Kincaid, der offenbar zum selben Schluss gekommen war, stand auf und zog eine Visitenkarte aus der Tasche. »Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt oder wenn Sie uns sprechen wollen -«
    Alia nahm ihm rasch die Karte aus der Hand, ehe ihr Vater danach greifen konnte. »Ich bringe Sie hinaus. Ich bin gleich wieder da, Abba.« Sie war offenbar entschlossen, ihren Vater durch Schnelligkeit zu überrumpeln, und Gemma blieb gerade noch Zeit, sich hastig von Mrs. Hakim zu verabschieden. Wie zuvor war ein scheues Lächeln die einzige Erwiderung. Als Gemma Kincaid und Alia nach draußen folgte, fragte sie sich, wie viel Alias Mutter eigentlich von dem ganzen Gespräch verstanden hatte.
    Alia führte sie über die Terrasse und den Garten hinaus auf die Rasenfläche, und als sie außer Hörweite waren, drehte sie sich um, sodass sie die Wohnung im Blick hatte. »Sie müssen meinen Vater verstehen«, sagte sie leise, aber mit Nachdruck. »Ich will nicht, dass Sie schlecht von ihm denken. Er ist kein ungebildeter Mann. In Bangladesch hat er einen Universitätsabschluss. Und er ist ein guter Geschäftsmann - er hat ein Callcenter in der Whitechapel Road. Aber er hat den ganzen Tag mit Einwanderern zu tun. Er sieht sich selbst als Einwanderer. Sein Traum ist es, genug Geld zu verdienen, um sich in Bangladesch zur Ruhe setzen zu können, und er will …« Sie zog die Stirn in Falten, als würde sie um die richtigen Worte ringen. »Er will nicht, dass irgendetwas in diesem Leben einen - einen Schatten auf das Leben dort drüben wirft.« Alia atmete durch, sie sprach jetzt schneller. »Aber ich - ich bin in erster Linie Britin und erst in zweiter Linie Bangladeschi. Das heißt nicht,
dass ich meine Eltern oder meine Kultur nicht achte, aber für mich ist es etwas anderes.«
    Mrs. Hakim kam aus der Wohnung und begann auf der Terrasse Wäsche aufzuhängen. Sie sah kurz in ihre Richtung, als sie ein Laken aus ihrem Korb fischte.
    »Alia«, sagte Gemma hastig - sie fürchtete, sie könnten gestört werden, oder Alia könnte plötzlich vor dem Geständnis

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